Unter dem Motto steht der heutige Tag. Und ihr glaubt gar nicht, was man in Mindo alles suchen und finden kann. Und nein, diesmal geht es nicht um mein unaufgeräumtes Zimmer.
Felix hat am Wochenende Geburtstag und wir wollen campen gehen. So suchen wir schon die ganze Woche Zelte und Schlafsäcke. Vor allem aber den Typen, dem das Grundstück am Berg gehört, wo wir hinwollen. Wir wissen nur den Vornamen, aber hier im Dorf findet man die Leute so. Dazu später mehr.
Zuerst bin ich zur Unterstützung bei den Kids zum Weben und Fäden knüpfen. Das machen die aber schon ganz gut. So bleibt Zeit, um mit Kollegin Silvana über das Schulsystem zu quatschen. Sie wollen hier nämlich Anfang Dezember die Schulen wieder aufsperren . Silvana erzählt, dass mittlerweile aber viele Kinder aus dem Schulsystem gefallen sind, weil sie arbeiten gehen. Einerseits, weil mit dem Onlineunterricht eh keine so richtige Schulpflicht durchsetzbar war, andererseits, weil sich die finanzielle Situation vieler Familien während der Pandemie so verschlimmert hat, dass die Kinder zum Haushaltseinkommen beitragen müssen. Mal abgesehen davon, dass die Kinder nach über 1,5 Jahren Onlineunterricht (in Ecuador sind die Schulen seit März 2020 zu) erhebliche Bildungslücken haben. Und so anstrengend die Online-Unterricht-Betreuung in SALEM ist, die Kids tun mir einfach nur leid. Die zahlen nämlich bildungstechnisch nur drauf. Bin jedenfalls wie das wird mit den Schulöffnungen.
Die Nachmittagsaufgabe: Suchen. Nämlich unseren Brotmann, den Señor del Pan. Der soll morgen Früh 25 Brötchen für die Kinder liefern. Wo finde ich ihn? Naja, mal durchs Dorf marschieren. Ans Ende der Straße und links. Dort hat er ein Eisgeschäft, aber da ist er nicht. Irgendwo da oben ist sein Restaurant, erklärt mir eine Frau. Da finde ich ihn tatsächlich. Und nach der Brotbestellung bei seiner Frau muss ich alle selbstgemachten Eissorten durchprobieren, die sie dort haben. So ein Pech. Ich mag den Señor del Pan und seine Frau. Dann komme ich auch noch drauf, dass die beiden das einzige vegetarisch-vegane Restaurant in Mindo führen. Da bin ich sicher öfter zu Gast in nächster Zeit. Der kleine Ausflug hat sich doppelt ausgezahlt.
Weitergesucht wird im Kasten, nach Computern und Elektrozeug, das zum Recycling kann. Dabei finde ich Sachen, die älter sind als ich. SD-Karten, die so groß sind wie meine Handfläche und ganze 125MB Speicherplatz haben. Cool. Der alte Radio funktioniert sogar noch, mit dem ist Sebas letzte Woche schon ganz stolz durch die Gegend gerannt. Das Ausbauen der Festplatten überlasse ich dann lieber Felix. Mit sehr guter Musik in Diskolautstärke und dazu singen lässt sich das gut bewerkstelligen. Wir machen uns die Arbeit halt cool. Ich glaube, die andern hassen uns manchmal schon.
Aber anscheinend nicht so, dann sie versuchen auch alles um den Besitzer von unserer Campingwiese zu finden. Lady, die hier all kennt, hats tatsächlich geschafft, einen Nachnamen zum Vornamen zu finden. Jetzt erklären mir alle im Chor, wo der Herr denn wohnt. Also da über die Brücke und dann rechts, bei der Apotheke, nein wo die wohnt weiß ich auch nicht. Welches Haus? Nein, ich kenne die Familien nicht, keine Ahnung wo die andere da wohnt.
Herrje, das typische Dorfleben. Die Konversationen mit meinen Eltern daheim laufen ja ungefähr gleich ab, da ist es halt Allgemeinwissen, wo die besagte Dame wohnt, die immer Süßigkeiten verschenkt, wer ihr Sohn ist und wo die Schwiegertochter arbeitet und dass der Enkel jetzt bald in die Schule kommt. Und wer jetzt das Haus verkauft hat und wers gekauft hat uns so weiter. Weiß man halt. Wer mit wem verbandelt und verwandt ist weiß man auch, selbst wenn mans nie ganz durchschaut. Hier fehlt mir dieses Allgemeinwissen, merke ich. Denn ohne das kommt man nicht weit im Dorf.
Die Kolleginnen helfen weiter, denn mittlerweile ist auch eine Telefonnummer von besagtem Herrn aufgetrieben. Dieses Wochenende gehts leider nicht, meint er. Aber sonst gern. Das ist jetzt halt so halb gut, wir suchen weiter. Der nächste Landlord mit potentieller Campingwiese, der uns einfällt ist Paco, der Data-Science Dude. Den findet man immer in seinem Cafe. Dort ist er aber heute auch nicht, morgen wieder, meinen die Kellner.
Später schaut Simone vorbei, die weiß auch wo man uns immer findet. In SALEM halt, in den Hof stellen und mal schreien. Für heute passts dann aber auch mit suchen, ich suche jetzt nur noch die Katze. Die sitzt bei Felix drüben, miaut zum Ukulelenspiel und will in die Ukulele beißen. Und deswegen bring er sie mir irgendwann. Muss ich also garnicht suchen. Gehen wir schlafen, Katze.