Mein Geburtstag. Der dreiundzwanzigste am dreiundzwanzigsten. Und gleichzeitig ist auch wieder ein Monat voll: Das fünfte des Freiwilligeneinsatzes. Alles Sachen, die mich eher mehr als weniger zum Nachdenken bringen. Darüber, was diese vielen Dreiundzwanziger bedeuten und ob Zeit nicht eigentlich sehr relativ ist.

Dreiundzwanzig. Meine Eltern haben in diesem Alter geheiratet, angefangen unser Haus zu bauen und ans Kinder kriegen gedacht. Ich chille hier in Ecuador herum und habe keinen fixen Plan, wenn man so will. Also eigentlich habe ich viele Pläne für mein Leben. Welcher es wird, keine Ahnung. Vielleicht sollte man auch manches einfach dem Zufall überlassen. Zu viel planen bringt eh nichts. An heiraten und Haus bauen denke ich jedenfalls noch länger nicht. Sollte ich?


Nein. Das ist schon alles gut, wie es ist. Aber gerade Geburtstage sind solche Tage, wo man anfängt nachzudenken. Mal einen Schritt zurück macht und das eigene Leben auf der Metaebene betrachtet. Mit Dreiundzwanzig, dachte ich früher, da bin ich erwachsen und habe mein Leben auf der Reihe. Jetzt sitze ich hier, mache Filmabende bis 1 Uhr Früh, lasse mir Piercings stechen, fahre Motorrad und diskutiere mit Maja und Felix, warum wir wieder vergessen haben die Hühner einzusperren oder ob die Katzen schon gefüttert sind. Ich könnte natürlich auch sagen, ich arbeite im Ausland und mache Öffentlichkeitsarbeit für eine internationale Organisation. Ist ebenfalls die Wahrheit und hört sich um einiges kompetenter an. Es ist eben alles eine Frage der Sichtweise, alles relativ.

Veränderungen. Eigentlich ändert sich alles laufend, mal merkt man es mehr, mal weniger. Und dieser Dreiundzwanzigste ist auch so ein Tag, wo ich über Veränderungen nachdenke. Hier ändert sich auch bald vieles. Anfang Februar kommt Besuch, im März noch mehr Besuch für Felix, dann fangen die Schulferien an und der ganze Arbeitsalltag in SALEM ändert sich, und wenn Corona irgendwo zuschlägt ändert sich sowieso alles ganz schnell. Da etwas planen? Aussichtslos. Lieber spontan mitschwimmen, alles auf mich zukommen lassen und an dem erfreuen, was ich habe. Das kann ich mittlerweile immer besser und die spontanen Ideen sind sowieso immer die Besten.

Und wenn ich so auf dieser Metaebene denke, merke ich, dass die Veränderungen eigentlich immer da waren.

Kommt mir jetzt das altbackene “aber früher war alles besser” über die Lippen? Nein, denn dann würde ich mir wirklich alt vorkommen. Früher war vieles anders, manches vielleicht besser, aber früher ist auch nur relativ. Früher markiert viele Punkte auf einem Zeitstrahl, auf dem auch heute einen Punkt markiert und morgen einen anderen. Morgen kann schon wieder alles anders sein. Wie, weiß ich erst, wenn es so weit ist. Schrödingers Morgen. Ist das alles nervig? Ja. denn sobald ich mich an ein jetzt gewöhnt hab scheint das jetzt schon wieder Vergangenheit und Schrödingers Morgen ist jetzt und was morgen kommt weiß ich erst nicht. Ist das alles änderbar? Nein.

Denn die Zeit rennt und nach dreiundzwanzig wird vierundzwanzig kommen, zuerst der Tag und dann das Jahr. Gibt es sowas wie “sein Leben auf der Reihe haben”, wie man dieses ultimative Ziel junger Menschen so gerne beschreibt? Eigentlich ist das doch alles relativ. Und eine Frage der Sichtweise. Wenn meine Oma vor ihren Freundinnen argumentieren möchte, dass ich die klügste und erfolgreichste Enkelin der Welt bin, findet sie mit Sicherheit genug Argumente dafür. Wenn mir aber irgendjemand das Gegenteil erklären möchte, wäre das in einer gewissen Logik genauso mit Fakten hinterlegbar.

Bin ich glücklich? Glück ist genauso relativ wie Zeit. Es gibt Tage, da könnte ich vor Freude die ganze Welt umarmen und dann wieder Tage, an denen ich grundlos nicht so gut drauf bin, grantig oder alles hinterfragend oder beides auf einmal.

Was werde ich also tun? Vielleicht weiterhin das, was man nicht von mir erwartet. Gegen den Strom schwimmen, meinen eigenen Kopf haben. Was mir der wohl sagt, wenn er wieder von seinem Metaebene-Ausflug zurück ist? Wahrscheinlich, dass schon alles gut so ist, wie es ist. Und so, wie es sich verändert. Mit allen Plänen, die funktionieren oder auch nicht, die andere als verrückt und blöd bezeichnen oder als abenteuerlustig und bewundernswert. Die, die alles anders macht, das regenbogenbunte Schaf der Familie war ich schon immer. Und das Schaf wird Dreiundzwanzig. Vielleicht mit Glitzer und Konfettikanonen und vielleicht auch einfach ganz ruhig. Denn alles ist relativ, Geburtstage sind es auch.

Den Dreiundzwanzigsten beginne ich am Lagerfeuer, mit Ukulelenmusik und Marshmallows und Umarmungen von lieben Leuten. Am Lagerfeuer lässt sichs auch gut nachdenken. Das ist nämlich sowas wie der Inbegriff von Veränderungen. Ich schaue ins Feuer, hell und warm. In einem Brett steckt noch ein Schrauben drin. Wofür der wohl gewesen ist? Nicht mehr wichtig. Jetzt wird das Brett bald im Feuer verbrennen. Der Schrauben wird heiß, aber verbrennen wird er nicht. Er bleibt, so wie bei Veränderungen immer irgendwas bleibt, selbst wenn alles rundherum zusammenfällt. So wie das Feuer gerade. Und wenn es nicht verbrennen und das ganze Holz verschlingen würde, dann könnten wir jetzt nicht hier sitzen und uns wärmen. Das Feuer funktioniert gut als Metapher, dass alles im Leben einen Sinn hat und für etwas gut ist. Hoffentlich keine leere Metapher. Es knistert weiter und brennt, im Hintergrund Ukulelenmusik.

Der Dreiundzwanzigste geht in dieser Minute zu Ende und ich denke schon wieder nach. Über Veränderungen und Verantwortung, über Pläne und Wünsche und über die Zeit. Ich mag keine Veränderungen, wahrscheinlich sollte ich schon jetzt anfangn, diesen Artikel von vorne zu lesen. Aber für heute reichts mit nachdenken. Ich widme mich lieber dem kleinen mauzenden Fellknäuel, dass sich schon schlafend auf meinem Schoß zusammengerollt hat. Auch ein unerwartete schöne Veränderung, dass wir auf einmal in Katzenbaby hier haben. Und darüber freue ich mich jetzt, zum Nachdenken bleibt später auch noch Zeit. Denn Zeit ist, wie all diese Dreiundzwanziger, relativ.

2 Kommentare

  1. Richtig spannender Artikel, du schreibst mir ab und zu aus der Seele, danke dafür!
    Alles ist relativ und eine Sache der Sichtweise, das ist ein sehr gesunder Gedanke, der sehr glücklich machen kann! 🙂

  2. Hy. 23 Jahre, 23.01.2022, 23.01 Uhr🥰😍🎉🎊💐.
    Nachdenken ist normal, nachdenken ist gut. Geburtstag haben auch.😉
    Genieße einfach mal, was das Leben so bringt.

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