6 Uhr morgens, der Wecker läutet uns erbarmungslos aus dem Bett. Manche schneller und Julia weniger schnell. Eine lange Wanderung um den Vulkankratersee von Quilotoa steht an. Wir haben alles gehört: Ihr schafft das in 2 Stunden, in 4, in 6. Wir waren jedenfalls gespannt. Und uns war kalt.
Nachdem wir mal unsere Hostal-Menschen (Dueños) aus dem Bett bekommen haben und sie uns liebevollstes Frühstück gemacht haben, haben wir gefühlte sieben Schichten angezogen, und Rudi gepackt. Der beschwert sich immer noch laut hupend wenn man den Kofferraum aufmacht. Schon waren wir am Weg zum Kratersee. Dort haben wir mal ordentlich gefroren. Wobei die Kälte bald vergessen war, als wir den ersten Blick über den Krater geworfen haben. Vorab hab ich oft gelesen, dass der Anblick atemberaubend ist. Aber tatsächlich war das eine Naturschönheit, die mir sogar eine kleine Träne entlockt hat. Es ist schwer in Worte und Fotos zu fassen, was uns die nächsten Stunden begleitet hat, aber dieser Ort ist mehr als einmalig.
Die Wanderung allerdings auch. Über Stock und Stein, bergauf, bergab ging es am Bergkamm einmal rund um den See. Wir schnaufen, denn die Höhe von 3000 Metern merkt man schon. Auf der anderen Seite tut es auch gut, einfach mal wieder eine Runde wandern zu gehen. Und so gehts lustig dahin, das erste Stück. Der Weg ist mal sandig, mal steinig. Immer mit einem grandiosen Blick auf den Krater, in dessen türkisen Wasser sich die Wolken widerspiegeln. Wir entdecken eine wunderschöne Bucht, wo eine Art Weg hinter führt. Wie weit das wohl ist? Ob wir hinuntergehen sollen? Das Wasser würde zum reinspringen einladen, ist aber sicher saukalt. Wir gehen nicht, der Weg vor uns ist noch lang genug. Aber eine kleine Pause zum Runterschauen und den Moment aufsaugen bietet sich an.
Alle zehn Meter hat jemand von uns ein Foto gemacht oder Felix seine Drohne steigen lassen. Alle 20 Meter hat sich das Wetter geändert: von eisigem Wind über Nebel, der uns komplett die Sicht nahm, bis hin zur Sonne, die letztlich alle rot werden ließ. Außer Julia, die hat‘s irgendwie ohne Sonnenbrand geschafft. Der Nebel zieht beim Mittagessen auf einmal auf, man sieht weder den Krater mehr, noch die Bergspitzen vor uns, noch sonst irgendwas. Der Gedanke an den Nebel am Pichincha-Gipfel ereilt mich. Wenn uns so ein Wetterumschwung hier auch passiert – gute Nacht. Aber wider Erwarten tauscht sich der Nebel nach 10 Minuten wieder gegen den schönsten Sonnenschein ein, um 10 weitere Minuten später wieder den ganzen Krater zu füllen. Wir ziehen an und aus, Sonnenbrille rauf runter.
Unser Trupp hatte dann oft zwei Partien: Felix und Sandra, die vorausgingen. Jeremia, Julia und ich, die langsam nachspazierten. Wobei spazieren eher ein schlechtes Wort ist, weil es dafür einfach zu hügelig war. Inklusive kleine halb-kletter Passagen. Dazu die Höhenluft, die das Atmen doch durchaus schwieriger macht. Immerhin lag der höchste Punkt der Wanderung auf 3930 Meter.
Ein weiteres Problem war, dass wir zwar viel zu essen hatten (und ich meine viel), aber nicht genug zu trinken. Auf einer der Anhöhen, die wir über Erdwege, Gras und Felsen erreicht haben, ist plötzlich eine Einheimische mit einem 2-jährigen Kind aufgetaucht, die uns in ihrer Strohhütte Wasser verkauft hat. Unglaubliches Timing und noch unglaublicher ist, dass diese Frau den Weg auf den Hügel von ihrem Dorf aus jeden Tag auf sich nimmt. Wir waren jedenfalls dankbar für das Wasser, auch wenn wir die letzten zwei Stunden trotzdem nichts mehr zu trinken hatten.
Nach ziemlich genau sechs Stunden Wanderung kam eine ziemlich verzweifelten Gruppe (Felix und Sandra ausgenommen), dann endlich wieder zurück zum Dorf. Zwischenzeitlich hat das wandern nur noch wenig Spaß gemacht. Oder wie Julia festgestellt hat: Wenn sogar Jeremia scheiße sagt sobald er den Aufstieg sieht, dann ist das wirklich scheiße. Das hat sich auch auf unsere Motivation ausgewirkt. Unsere Strategie gegen das Faulwerden: Uns gegenseitig sagen, wie toll wir das machen!
Wir suchen nach Umwegen, kann man diesen blöden Gipfel nicht untenrum umgehen? Wahrscheinlich nicht. Kein Wasser mehr, irgendwann liegen wir nur mehr ko auf dem nächsten erklommenen Gipfel und lauschen Felix und Sandra mit Gesellschaftsdiskussionen. Aber irgendwann, irgendwann tauchen im Nebel die ersten Häuser auf. Wir habens geschafft. 6 Stunden haben wir gebraucht. Keine schlechte Zeit, sagen die Einheimischen. Mit einem freunden wir uns auch gleich an, er bietet Camping am Krater an und würde uns am liebsten gleich als Volos dabehalten. Da kommen wir doch sicher gern mal wieder.
In Quilotoa hat uns dann gleich der erste Ladenbesitzer in seine Bar geschleppt, wo zwei Krüge Wasser schnell geleert waren. Wir bestellten zwei Pizzen und zwei irgendwie enttäuschende Desserts, haben wir uns dann in Rudi gesetzt und sind Richtung Ambato aufgebrochen. Mit kläglichen Versuchen auf der Rückbank zu schlafen, aber spannenden Dingen zu sehen. Zum Beispiel die Imbiss-Buden am Straßenrand, die teilweise enorm an die USA erinnerten. Und als hätten wir nicht schon genug gestaunt an diesem Tag, erstreckte sich Ambato bei Nacht vor uns. Diese Städte zwischen dem Bergen haben schon etwas besonders eindrucksvolles.
In Ambato angekommen wurden wir dann sehr erfreut von Frederike und Lorena begrüßt, zwei Freiwillige aus Deutschland, die Julia und Felix über Maja kennen. Sie haben sich bereit erklärt uns fünf für zwei Nächte bei sich aufzunehmen. Es dauerte ungefähr zehn Minuten bis ihre Wohnung im Chaos versunken war, wir unsere Schlafsäcke und Issomatten ausgebreitet hatten und dann noch die Küche verwüsteten. Lorena hat Gemüsesauce vorgekocht. Wir mussten also noch Nudeln ins Wasser schmeißen und haben Manduros, also süße Kochbananen, in der Pfanne angebraten. Mit vollen Mägen ging es dann aber eigentlich nur noch ins Bett. Der Tag war lang, anstrengend und wunderschön.
Ich habe meinen Sohn definitiv noch nie bei einem Aufstieg fluchen gehört. Muss ECHT anstrengend gewesen sein. Toll seid ihr!!!!
Spannend über Eure Aktivitäten und Abenteuer zu lesen.