6.30 Uhr. Die Katze steht neben meinem Handy und starrt mich vorwurfsvoll an, als der Wecker läutet. Zumindest ist sie heute nicht um 6 auf mich draufgesprungen, das macht sie auch manchmal. Stattdessen mauzt sie mich an und schlüpft unter meine Decke. Hilft beim Aufstehen nur so semi. Ich schnappe mir mein Handy und beantworte mal Nachrichten von zuhause. Das ist nämlich auch der einzige Grund, warum der Wecker so Früh läutet: Weil die Morgenstunden die einzige Zeit sind, zu der ich sinnvoll nach Österreich kommunizieren kann. Dann ist es dort gerade 14:00 Uhr.
Ich wurschtle also meine Beine irgendwie unter der Katze hervor, die beleidigt miaut. Dafür bekommt sie dann Futter und alles ist wieder gut. Die beiden Katzen fressen auch schon nebeneinander, ohne sich anzupfauchen – ein Fortschritt. Dann gibts Frühstück für mich. Heute nur MÜsli, weil wir irgendwie zu doof waren einkaufen zu gehen. Müsli und Milch sind aber immer da. Und später gehe ich Bananen, Avocados und Brot kaufen, nehme ich mir vor. Ich stelle einen Wecker für den Kaffeekocher, dass er nicht so anbrennt wie letztens. Die Sonne scheint heute, es wird wärmer. Irgendwo kommt klassische Musik her, dazu Vogelgezwitscher. Ist das ein Kolibri im Garten? Ich komme mir vor wie in irgendeinem kitschigen Film. Ein paar Hunde bellen dazwischen, die Katze spielt mit einem Grashalm. Als ich mich hinhocke, kommt sie her und möchte gestreichelt werden.
Dann gehts zu den Hühnern, die regen sich schon auf, weil sie noch eingesperrt sind. Die haben glaub ich das gechillte ecuadorianische Lebensgefühl noch nicht ganz verstanden. Ein paar Küken sind ausgebrochen und rennen am Kompost herum. Für die Hühner gibt es Mais und Haferflocken mit Wasser, sie stürzen sich laut gackernd darauf. Drei Eier finde ich außerdem und bringe sie in die Küche.
Es ist inzwischen 8, ich erwische meine Eltern am Telefon. Wir plaudern über das Wochenende, über unterschiedliche Ansichten in Ecuador und in Europa, über Kapitalismus und Konsumwahn und das Gegenteil davon. Harte Kost für solch eine frühe Uhrzeit, aber viele dieser Gedanken sind sowieso omnipräsent, seit ich da bin. Ich lerne jeden Tag mehr über das Leben und andere Sichtweisen auf das Leben. Denke ich an den Mindset der österreichischen Gesellschaft, so kommen mit Stress, Leistungsdruck und Jammern in den Sinn. Jammern, was man alles nicht hat, obwohl man eigentlich alles hat. Da nehme ich mich nicht aus, das mache ich selber oft genug. Hier schäme ich mich ein wenig dafür. Denn jammern habe ich hier noch keine_n gehört. Und das, obwohl die Leute im Durchschnitt weitaus weniger haben als ich zuhause. Manche gerade genug, um irgendwie zu überleben. Doch sie machen irgendwas draus. Ohne großes Aufsehen. Wenn es ein Problem gibt, fängt man nicht damit an sich mal drüber aufzuregen und davor Angst zu haben, sondern sucht eine Lösung. Wenn die nicht funktioniert, eben eben eine andere, und wenn die auch nicht funktioniert muss man eben irgendwie mit dem Problem leben. Oder mal schnell improvisieren. Und es muss nicht alles perfekt sein. Es reicht, wenn es irgendwie funktioniert. Das ist ein bisschen von dem Lebensgefühl, dass ich weiterlernen und mitnehmen möchte. Es kommt mir nämlich um einiges sinnvoller vor, als Leistungsdruck und Perfektionismus.
Zum Abschluss zeige ich meinen Eltern mein Zimmer, das jetzt endlich fertig eingerichtet, eingeräumt und geputzt ist. War meine Wochenendarbeit. Jetzt ist es dafür richtig gemütlich in meiner kleinen Höhle. Und eigentlich brauche ich auch nicht mehr Zeug, als in das kleine Zimmer mit den beiden Regalen passt. Aber über Konsumwahn schreibe ich hier vielleicht noch ein andermal. Jetzt muss ich zur Arbeit. Drüben hat Felix schon angefangen zu putzen und hört dabei Musik. Dazu mischt sich das Plappern einiger Kinder, die zu früh da sind. Mal sehen, was der Tag so bringen wird.