Wer hier mitliest hat wahrscheinlich schon Julia‘s Beitrag zum Canoying gelesen. Für alle anderen fasse ich nochmal zusammen: Mit Neoprenanzug ausgestattet geht es hinauf auf den Berg und dann mit einem Seil gesichert mitten in den Wasserfällen wieder hinunter. Die erste Unsicherheit, ob das eine gute Idee ist, habe ich schon in der Früh überwunden. Also startet unser Trupp von acht Leuten ihr Abenteuer. 

Was ich hier aber eher mitgeben möchte ist das Gefühl, dass dieses Abenteuer bei mir ausgelöst hat. Denn entgegen meiner Erwartung, dass ich vor Angst zittern werde, wenn ich den Abhang sehe, bin ich alles hinuntergesprintet. Bei Wasserfall 1 habe ich die Vorhut übernommen, hab ausgetestet, genossen wie das Wasser über meine Knöchel rinnt. Zwischen Adrenalin-Schub und Adrenalin-Schub war Zeit zum baden, die Wasserwucht auf den Schultern lässt das Leben sehr leicht wirken. Das laute Prasseln am Kopf überdeckt die Gedanken. Ein Blick in den Wald hinein oder ins Tal hinab macht dankbar, wenn auch alles sehr surreal wirkt. Wo bin ich hier nur? Diese Frage stelle ich mir auf dieser Reise jeden Tag. In einem Paradies weit weg vom Alltag und doch so nah an mir selbst. In einem Paradies wo Regen und Sonne sich sehr nahe sind, beides mich irgendwie durch die Tage trägt.

Und dann ist er da, der letzte Wasserfall. 50 oder 55 Meter hoch, sagt man mir. Ich spreche kein Spanisch, aber ich glaub es gern. Wir sitzen also oben, einer nach dem anderen kommt an die Reihe hinunterzuspringen. Zum Rand kommen wir erst, wenn wir an der Reihe sind. Ob ich Angst habe? Vermutlich sollte ich, aber ich freu mich auf den Sprung. Dann ist es soweit und ich krabbel vorsichtig zur Kante. Ich sehe tief, unter mir nur Wasser, Steine und Pflanzen. Das Seil wird festgemacht, ich klettere auf den Vorsprung hinunter. Arme ausbreiten wie ein Vogel für das Foto. Arme ans Seil. Und dann zählen sie bis 3. 

Uno. Ich spüre die Luft um mich herum. Atme tief ein, Vorfreude macht sich breit.

Dos. Ich wünsche mir, der Guide zählt schneller.

Tres. Ich höre die Zahl nicht mehr bis zum Ende und springe ab. 

Kein Boden mehr unter den Füßen. Ich falle, ich fliege. Ein Moment, der so kurz ist und doch so ewig erscheint. Freiheit, ich bin alleine. Die Menschen über und unter mir sind vergessen. Zuerst kommt das Lächeln, dann ein befreites Lachen. Das Seil kommt abrupt zum Stehen, ich baumle an der Steinwand entlang. Wasser prasselt auf meinen Kopf, die Tropfen sind schwer aber tun nicht weh. Ich spüre nichts, nur Freude und Zufriedenheit und die Schönheit, die mich umgibt.

Langsam kommt der Boden näher. Ich lache. Ich schaue nach oben, Wasser läuft über mein Gesicht. Ich will nicht, dass es aufhört. Meine Beine strecken sich dem Boden entgegen. Und schon komme ich an, zurück im Leben. 

Ich lege die letzten Meter zu meiner Gruppe zurück und drehe mich um. Ein Blick nach oben und ich kann kaum glauben, welche Schönheit sich über mich auftürmt. Während die anderen eine zweite Runde springen wollen, starre ich für eine Ewigkeit nach oben. Und genieße. 

3 Kommentare

  1. Alfred Schirmbrand

    Wenn wir Eure Abendteuer lesen, ist dass wie ein gutes Buch. Weiterhin eine schöne Reise.

  2. sehr eindrucksvoll beschrieben 😉

  3. Wie immer spannend zu lesen. Ein Abenteuer welches man bei uns nicht leicht findet.

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