Im Galopp durch den Nationalpark

Heute habe ich tatsächlich den heiß ersehnten Ritt durch den Cotopaxi Nationalpark gemacht. Und es war einfach toll. Ich bin, wie der Titel schon sagt, am Schluss sogar galoppiert. Die Weiten des Nationalparks gesäumt von den Bergen sind außerdem ein wunderschön auf dem Pferd zu entdecken.

Aaber zuerst muss ich da mal hinkommen. Ich bekomme nämlich das übliche “Da fährt kein Bus hin” zu hören. Ein Taxi kostet 25 Dollar eine Strecke. Na sicher nicht. Ich rufe also den Pferdetypen an um die Tour ein bisschen nach hinten zu verlegen. Ich werde mich schon irgendwie durchschlagen, aber nicht bis 9 Uhr. 10:30 werde ich schaffen. Nochmal der ungläubige Hinweis, dass bis dorthin aber kein Bus fährt und man von der Bushaltestelle 7km gehen muss. Geht schon. Ich komm dort irgendwie hin 2.0.

Tagwache um 5.45. Der Wecker wäre eigentlich gar nicht notwendig gewesen, denn ich bin vorher schon im Stundetakt aufgewacht. Dabei begrüßt mich Sonne mit einem wunderschönen Ausblick. Um 7:00 soll der Bus nach Pedregal fahren, habe ich herausgefunden. Am Hauptplatz. Dort eine Weile herumgefragt, einen andern Herrn gefunden der auf denselben Bus wartet… im Endeffekt finden wir heraus, dass er wegen Bauarbeiten eine Straße weiter fährt. Aber er fährt. Und wie. Ich bekomme den letzten Sitzplatz in der letzten Reihe und mein Steißbein schreit mal wieder, als sich der Bus den Berg hinauf kämpft. Durch die beschlagenen Fenster sieht man Weiden und Kühe vorbeiziehen. Der Handyempfang wird weniger. Das geht eine ganze Weile so.

Dann kommen wir nach Pedregal, ein kleines Dörfchen mit einem Shop und zwei Alpakas, die verloren am Volleyballplatz herumstehen. Und einem Schild Richtung Nationalpark. Dem laufe ich jetzt einfach eine Weile nach. Nach den ersten paar Metern verfluche ich mich wieder mal, warum ich mein Bedürfnis nach ein bisschen herumwandern unbedingt auf über 3000m stillen muss. Jedenfalls fragt sich meine Lunge das auch. Naja, mit dem Gehen gewöhne ich mich langsam dran und genieße den tollen Ausblick auf Kuhweiden und die gegenüberliegenden Berge. Die Sonne strahlt vom Himmel. Ich frühstücke gerade auf einem Berghang, als gleich hintereinander drei Autos vorbeifahren. Verdammt, Zeitpunkt zum Autostoppen verpasst. Ich marschiere weiter, mal durch Wald mal an der Wiese vorbei. Langsam wird das anstrengend. Wie weit es wohl noch ist? Google Maps sagt ich bin völlig falsch. Dann sagt es gar nichts mehr, weil kein Netz. Google Maps hat keine Ahnung. ich frage den nächstbesten Menschen, den ich treffe. Ja, die Richtung stimmt schon. Nach 40 Minuten bis zum Control Norte, dem Eingang zum Park. Mal sehen.

Ich biege im die Ecke, auf einmal springt mir ein Fuchs entgegen. Ich denke zuerst es ist ein Hund. Doch es entpuppt sich eindeutig als Fuchs. Er rennt über den Weg und verschwindet hinter dem Zaun, als wäre er nie da gewesen. Schneller, als ich verstanden habe was passiert ist, ist der Moment schon wieder vorbei. War doch tatsächlich ein wilder Fuchs einen Meter von mir entfernt.

Ist das ein Motorengeräusch? Kann da mal ein Auto kommen, das mich mitnimmt? Es kommt eines, aber es nimmt mich nicht mit. Ich verfluche die Menschheit. Dafür entdecke ich einen Hubschrauber über mir und beobachte ihn ein wenig. Weiter komme ich davon aber auch nicht. Der Rucksack ist schwer. Nach wesentlich mehr als 40 min und vielen Flüchen gelange ich schließlich endlich zum Control Norte. Dort muss ich mich registrieren. Ob ich mit Auto unterwegs bin? Nein, zu Fuß. Zu Fuß? Der Parkwächter ist genauso ungläubig wie der Typ am Telefon gestern. Aber als ich ihn sehr ko anschaue glaubt er mir doch. Wie weit es noch ist bis zum Tambopaxi, wo meine Tour startet? Das ist so eine Sache. Der Reiseführer behauptet 4km. Das Schild dort behauptet 2km. Und die Einheimische behauptet gleich dort nach dem großen Stein, vielleicht 500m. Naja, Kilometerangaben sind hier genauso wie Zeit und Busfahrpläne sehr relativ.

Ich marschiere also weiter und hoffe, die Einheimische hat recht. Tatsächlich sehe ich schon nach einer Weile der große rote Gebäude der Hostería. Aber sehen heißt noch nicht dort sein. Keuchend komme ich dort schließlich auf den Hof. “Glaubst du, das Mädl schaffts und kommt noch?” dort gerade ein Typ zum anderen. “Hm, keine Ahnung…”, meint der andere. Es würde mich nicht wundern, wenn die Wetten am laufen haben. “Hallo, ich wär das Mädl”, sage ich. Es ist 10:15 Uhr. Ich habe es geschafft.

Die Tour startet ein bisschen weiter weg, dorthin werde ich gnädig mit dem Auto gebracht. Vorher darf ich noch schnell aufs Klo und dabei die wirklich fancy Hostería besichtigen. Also wenn ich mal ganz viel Geld hab, gönn ich mir auch Whirlpool mit Vulkanblick. Bist du jetzt wirklich von der Bushaltestelle gegangen? Um hier herzukommen? Ach Leute, ihr habt ja keine Ahnung was ich sonst noch alles für eine Pferdetour machen würde.

Die Pferde sind schon gesattelt, mit mir sind noch zwei Mädels in der Gruppe die sich – wie sollte es auch anders sein – deutschen Ursprungs entpuppen. Schnell noch ein paar unnötige Sachen aus dem Rucksack in der Hütte gelassen, dann gehts auch schon los. Wir bekommen Helme und das traditionelle Gewand der Reiter_innen hier: Ledercaps mit Fell und Ponchos. Beides ist mir viel zu groß, aber lustig. Nur wie bekomme ich mit dieser Hose jetzt den Fuß in den Steigbügel? Mein Pferd ist dunkelbraun und heißt Bizgocho. Die Pferde sind alle im Westernstil geritten, der Guide Rafael erklärt kurz wie das funktioniert. Weiß ich sogar noch, weil ich früher ein bisschen zu viele Pferdebücher verschlungen hab. Der Zügel wird jedenfalls in einer Hand gehalten. Die Cowboys hatten in der anderen Handy das Lasso, wir finden in der anderen Hand das Handy ganz praktisch, um Fotos zu machen.

Jetzt aber erst mal aufs Pferd konzentrieren. Das will nämlich traben. Ich versuche den Rhythmus zum Leichttraben zu finden. Nach einer Weile klappts gut und ich muss mich auch nicht mehr am Sattelknauf festhalten, sondern kann die linke Hand frei lassen, in der rechten der Zügel. So gehts eine Weile dahin, durch die Graslandschaft umrundet von Vulkanen, der Geruch der Pferde liegt in der Luft, die Sonne brennt immer noch vom Himmel und ich bin einfach glücklich. Die Vögel zwitschern, die Pferde schnauben (und kacken), sonst ist es ruhig.

Mal durchs Wasser, mal durch einen Graben, mal tut sich neben uns eine majestätische Schlucht mit Fluss auf. Dann ein Wald. Der war nicht da, der ist künstlich, sagt Rafael. Wie geht denn das, im Nationalpark Bäume anpflanzen, die nicht hergehören? Ganz einfach, da ist die Grenze. Das ist schon außerhalb vom Park. Genutzt wird der Wald zur Holzgewinnung. Naja.

Es geht weiter im Trab, langsam tut mir alles weh vom Leichttraben, welches ja immer aus Aufstehen und Niedersetzen besteht. Bizgochos harten Trab auszusitzen ist aber ungefähr so angenehm wie die Busfahrt. Ein bisschen bergauf bergab geht es weiter.

Wir traben weiter, die Pferde drängeln ein bisschen. Auf einmal galoppiert Rafaels Pferd vorne an. Ich drücke meine Fersen in Bizgochos Seiten, ein Sprung, dann spüre ich den Dreiertakt unter mir. “correr” heißt galoppieren auf Spanisch. Nach ein paar Schritten fallen wir aber zurück in den Trab, das hier ist keine Galoppstrecke. Aber am Rückweg, verspricht Rafael. 

Wir machen Pause bei den Inkaruinen. Hier war eine Festung, erklärt Rafael. Davon steht heute nur mehr ein halber Meter Grundmauern. Weiter unten haben sie eine Hütte nachgebaut, so ungefähr wie das ausgesehen hat. Dort lassen wir die Pferde. Ich steige trotzdem hoch auf die kleine Anhöhe, wo die echten Überreste der Festung liegen. Ich liebe Geschichte. Ich stelle mir vor, was hier vor hunterten vor Jahren passiert sein könnte, vor der Kolonialisierung, im Reich der Inka. Die hier überall waren und ich weiß immer noch so wenig über sie. Die Kolonialisten haben viel zu viel hier erfolgreich aus der Geschichtsschreibung ausgelöscht. Gute Museen darüber habe ich in Ecuador bis jetzt nur eine handvoll gefunden. Schade. Aber immerhin kann ich hier sein, an diesem magischen, geschichtsträchtigen Ort. Und ich weiß nicht, was hier einmal war, die Steine schweigen. Aber das ist auch okay, sie behalten ihre Geschichte eben.


Die Weiten des Nationalparks liegen vor mir, Bizgocho will rennen. Ich brauche gar nicht viel zu tun, schon sind wir im Galopp. Hui ist das schnell. Mit einer Hand den Sattelknauf umklammert, in der anderen die Zügel geht es dahin. Von hinten kommen die andern Mädels. Bizgocho wird schneller, die Pferde machen ein Rennen. Das ist jetzt aber schnell genug, hier bin immer noch ich die Chefin. Ich brauche zwei Versuche um Bizgocho wieder zum Traben zu bringen, das gefällt ihm gar nicht. Aber immerhin kann ich mich wieder zurechtsetzen und kurz durchschnaufen. Rafael galoppiert vorbei und filmt. Weiter gehts, hui.


Ich finde langsam einen guten Sitz im Galopp. Die Graslansschaft zieht vorbei, um mich herum die Berge. Dann durch den Fluss, hier ist wieder Trab angesagt. Das letzte Stück zum Stall dürfen wir nochmal galoppieren. Treiben, Trab, nochmal Treiben, Bizgocho galoppiert an. Meine Hand liegt ruhig und nicht mehr verkampft am Sattelknauf, ich lehne mich leicht nach vorne und habe das Gefühl zu fliegen. Neben mir taucht Silvia auf Caramelo auf, dahinter der Cotopaxi. Das ist einfach ein Wahnsinn hier. Ich grinse bis über beide Ohren, Silvia grinst zurück. Viel zu schnell hat das Fliegen ein Ende, wir sind beim Zaun angelangt.

Hier findet die Pferdereise vorerst ein Ende. Ich verabschiede mich von Bizgocho und tausche mit Rafael Telefonnummern aus. Der Tag hat jetzt schon wunderschöne Erinnerungen fabriziert, im Galopp durch die Weite.

Auf dem Rückweg habe ich Glück und muss nicht mehr zu Fuß gehen. Obwohl die Hotelmenschen sicher wieder Wetten abgeschlossen haben. Aber der Taxifahrer der deutschen Mädels nimmt mich mit bis zu ihrem Hotel, dort fährt ein Bus. Die Wartezeit verbringe ich in der fancy Hotellobby, mit Reiseführer lesen quatschen und Bananenkuchen.

Der Bus steht schon da, sehr gut, weil es angefangen hat zu regnen. Er fährt auch irgendwann. Wann er will eben, so wie alle ecuadorianschen Busse. Das Kopfweh setzt wieder ein und ich verfluche mich mal wieder, warum ich denn meine Sehnsucht nach “ein bisschen herumwandern” unbedingt auf 3500m stillen muss. Am regennassen Fenster ziehen die Berge vorbei. Superschön.

Warum zieht es mich denn gerade so in die Berge? Weil Österreich? Oder will ich dann in Österreich in die Berge, weil Ecuador? Oder mag ich einfach Berge? Das sicher.

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