Wir haben Inti Raymi gefeiert, das Sonnenfest. Das bedeutet einen wunderschönen Tag in SALEM, mit Kinderschminken, Musik, Tanzen und einem lauten Umzug durchs ganze Dorf. Außerdem haben wir unseren freien Freitag genutzt, um wieder einmal unsere Lieblingswasserfälle zu erkunden.
“Inti” heißt auf Quichua Sonne, “Raymi” ist das Fest. Gemeinsam ergibt dass so etwas wie eine Mischung aus Sonnwendfeier und Erntedankfest. Es geht viel um die Dankbarkeit für die Erde, in den Naturreligionen auch “Pachamama” genannt. Das finde ich sehr schön. Gedankt wird also der Erde und dem Himmel, für alles Essen das wir bekommen, für die wunderschöne Natur, in der wir Leben dürfen und für den Beginn einer neuen Zeit mit der Sonnenwende. Gleichzeitig ist das Fest aber auch ein Aufruf, die Natur, die Pachamama zu beschützen. Weltweit wird er Klimawandel zum immer größeren Problem, in Ecuador wird viel Bergbau betrieben in Gebieten, die eigentlich unter Naturschutz stehen. Und in Mindo selbst wird Land verkauft, Bäume gefällt, Flüsse begradigt, Bauplätze geschaffen… Jedenfalls viel Naturzerstörung, die so nicht passieren sollte. Weil vielen Menschen die Natur einfach scheissegal ist. Inti Raymi drückt auf eine sehr schöne Weise die Verbundenheit und Dankbarkeit für die Natur aus.
Der Tag beginnt mit Plakaten und improvisieren. Irgendwie hat niemand daran gedacht, dass man für ein Fest auch Dekoration brauchen könnte. Also hilft das ganze Team zusammen: Blumen und Kreppstreifen werden gebastelt und aufgehängt, der Garten gerecht und verschönert, ein Feuer gemacht, um das ein “Altar” aufgebaut wird, das Festessen wird gekocht. Punktgenau als die Kinder kommen, werden wir fertig.
Dann gehts ans Kinderschminken. Oder eher Kinder verschandeln. Ich kann nämlich echt nicht kinderschminken und weiß nicht, warum diese Aufgabe immer wieder mir zufällt. Aber zu meiner Verteidigung, es ist auch nicht einfach einem zappelnden Kind einen Lidstrich zu ziehen oder einen Löwen ins Gesicht zu malen, den ich nicht mal auf Papier zustande bringen würde.
Nachdem die Kinder und auch wir verschönert sind, gehts mit Trommeln und Flötenmusik und Stecken mit bunten Bändern ins Dorf. Das Wetter zollt und Respekt, indem es gleichzeitig regnet und die Sonne scheint. Ist super schön, ich habe nur etwas Angst um den Lautsprecher. Aber in Mindo muss alles Regen aushalten.
Die Musik geht voran, Bum Zack Tralala ziehen wir durchs Dorf. Und ich genieße es, mittendrin zu sein. In der Führungstruppe, der Musik, mit Chamo und ein paar Kindern. Gleichzeitig Flöte spielend, singend, tanzend und ziemlich außer Atem. Aber glücklich. Ich ende irgendwann mit der Flöte und einer kleinen Kinderhand in der rechten Hand, mit links die Trommel schlagend, die einer von unseren Teenies trägt. Laut sind wir jedenfalls.
Vor mir hüpft Silvana bänderflatternd los, die kleinen Kinder hinterher, Blake auch mit einem Kind an der Hand. Und schon zieht die kleine Kinderhand in meiner Hand, auch hüpfen. Und Bänder schwingen. Los, in den Park.
Dort gibts einen kleine Kundgebung, dann tanzen wir alle um den Brunnen. Flöte, Trommeln, Gitarre, der Lautsprecher, bunte Bänder und Masken überall, Richtungswechsel. Freude sprüht in alle Richtungen, die Sonne scheint. Mit weiterhin viel Krach gehts anschließend zurück nach SALEM. Dort ist schon das Feuer entzunden, in einem Kreis aus Palmblättern, Blumen, bunten Tüchern und weißem Sand. Das Teamwork des Vormittags hat sich gelohnt.
Ich hocke mitten im Kreis von Palmblättern, Sand und Blumen vor vor dem Feuer und werfe auch eine Handvoll Mais und Reiskörner hinein. Ein Dankeschön, an die Natur. Mein Dankschön. Instinktiv mache ich die Bewegungen nach, die wir vorher gemeinsam gemacht haben: Ich schließe die Augen. Die Hände auf die Erde, zum Himmel, aufs Herz. Das Feuer wärmt von vorne, die Sonne von oben. Ich nehme diese ganze Wärme und Energie in mir auf. Und viel Dankbarkeit. Auch dafür, dass ich hier sein darf und dieses Fest mitfeiern darf. Das ich vorher nicht kannte und so schön finde. Auf einmal spüre ich eine kleine Kinderhand auf meiner Schulter und mach die Augen auf. Ich blick in große, strahlende Kinderaugen. Jose* steht neben mir. Einer von unseren kleinen, der es eigentlich faustdick hinter den Ohren hat. Aber heute ist er gut drauf. Er umarmt mich fest neben dem Feuer, springt dann wieder weg, um mit seinen Freund_innen zu spielen.
Weiter gehts mit der “Pambamesa”, also einem Tisch voller Essen. Und weil die Musiktruppe gerade so in Stimmung ist, gibts viel Musik. Psychologin Marcela gesellt sich auch dazu und mit zwei Gitarren, Flöte, Gesang und Trommeln spielen wir alle Lieder auf und ab, die wir kennen. Die, die zum Fest passen und auch die, die eigentlich gar nicht passen. Aber egal, wir sind in Fahrt. Erst als uns die Kolleginnnen schon extra Essen bringen, findet das fröhliche Musizieren langsam ein Ende. Die Arbeit fühlt sich heute ausßnahmsweise nicht nach Arbeit an.
Die Kinder haben mittlerweile entdeckt, dass man das Feuer gut am brennen halten kann, indem man trockene Bananenblätter hineinwirft. Und dann drüber springen. Aber halt, lasst es zuerst ein bisschen runterbrennen, das Feuer ist ja fast so groß wie du. Julia, springst du auch? Klar springe ich. Die Flamme unter mir ist warm.
Gemeinsam wird schließlich abgewaschen und weggeräumt, ein paar Kinder laufen noch herum. Es gibt immer noch Tostado, Kuchen, Popcorn und Ananas. Dort leigt noch etwas herum, wo gehört das hin? Die Nachbereitung ist mindestens so chaotisch wie die Vorbereitung. Und wären wir nicht fertig genug für heute, steht noch Webmingo an.
Da überlegen wir uns heute ein paar gute Slogans für unsere eigene Website. Und haben mit müdem Hirn sehr viel Spaß dabei. Beispiele gefällig: Fehlt Web?.// Sie wissen nicht was Sie tun sollen? Wir auch nicht.// Zu wenige Farbverläufe? Machen sie sich keine Sorgen, Frau Lehrerin. // Kennen Sie sich mit Waschmaschinen aus? Lernen Sie doch Webdesign mit uns.// . Damit werden wir garantiert erfolgreich.
Danach falle ich einfach ins Bett. Und räume dann doch noch bis Mitternacht mein Zimmer zusammen. Ein erfolgreicher Tag.