Es ist Juli. Ein paar Wochen bleiben noch. Und ich sinniere nach, über meine Zeit hier, die Zeit die kommen wird und Veränderungen. Ich habe viel gelernt in dem Jahr. Über Mindo, über Ecuador, über die Kinder und die spanische Sprache. Vor allem aber über Menschen und über mich. Ein Jahr raus aus der comfort Zone ist manchmal auch ganz schon unkomfortabel.
Ich habe gelernt, zu ertragen, aber auch, dass ich nicht alles ertragen muss. Ich habe gelernt, das manche Dinge einfach nicht für immer sind und das auch okay so ist. Ich habe gelernt, dass die Veränderung der laufende Motor unserer Welt ist, die nicht zu stoppen ist. Denn die Welt dreht sich weiter, genauso wie die Wellen des Meeres unermüdlich gegen die Steine schlagen. Die Steine verändern, Muscheln anspülen, Leben ermöglichen, in den Fluten. Ich habe gelernt, auf ihnen zu surfen und zu genießen, mich über Seesterne zu freuen und in den Sonnenuntergang zu schauen.
Die Veränderungen sind die Wellen des Lebens. Die manchmal ruhig dahingleiten, um sich im nächsten Moment wieder aufzubäumen und dich zu verschlingen. Dich drehen, bis du nicht mehr weißt wo oben und unten ist, um dich dann prustend wieder auszuspucken. Und die nächste Welle nimmst du dann wieder gelassen, wischt dir das Salzwasser aus den Augen, und springst mit der Welle mit. Hoch hinaus.
Die Wellen sind manchmal anstrengend. Da würde ich doch viel lieber am Strand in der Sonne liegen, die ganze Zeit. Aber das Abenteuer, das Fortkommen, das Wachsen und das Lernen, das finde ich dort nicht. Dafür muss ich mich in die Fluten stürzen, tauchen, springen, Purzelbäume schlagen. Wenn ich erschöpft bin, liege ich eine Runde am Strand. Das darf dann auch mal sein. Bevor ich mich voller Kraft und Mut wieder ins Meer stürze. Oder sich eine Welle still und leise anschleicht, in meine Ruhegebiet am Strand eindringt und mich mitnehmen will. Mich erinnert, dass dort draußen Abenteuer und Erfahrungen warten, dass ich noch so viel Ausprobieren und lernen kann.
Ich habe gelernt, dass man Gelegenheiten beim Schopf packen sollte. Und wünschte, ich hätte das schon früher gemacht. Das Warten, das “das mache ich später” wird so oft aus verschiedenen Gründen zu einem “das mache ich nie”. Weil sich die Umstände verändert haben, manches so nicht mehr funktioniert, man “später” auch keine Zeit hat, weil “später hab ich dafür Zeit” schlichtweg eine Lüge ist. Zumindest bei mir.
Ich habe gelernt, das zwischenmenschliche Beziehungen sich verändern. Und genauso kompliziert sind wie die Menschen dahinter. Menschen kommen und gehen, genau wie die Veränderungen. Das tut manchmal weh und das darf es auch. Aber dafür ergeben sich neue, andere Beziehungen.
Ich habe gelernt, den Moment zu leben und zu genießen. Wer weiß wie lange er dauert? Das Hier und Jetzt, die Welle auf der ich gerade reite. Ich sage nicht, dass ich das immer kann. Aber ich weiß wie es geht und ich versuche es. Jeden Tag, von den paar Wochen, die mir hier noch bleiben.
Ich habe gelernt, meine Ängste zu überwinden. “Das geht doch nicht.” “Das kann ich nicht.” Habe ich am Anfang zu oft von mir gegeben. Bestes Beispiel ist der erste Ausflug zu den Wasserfällen, bei denen ich mit Felix und Edwin ewig diskutiert habe, dass wir doch nicht einfach diese Felswand hochklettern können. Tja, über ihr hat sich unser Badewasserfall verborgen, eine meiner ersten und schönsten Entdeckungen hier in Mindo. Seitdem bin ich die Wand unzählige Male hinauf und wieder hinunter geklettert. Jedes Mal mit ein bisschen gesundem Respekt, aber viel Selbstvertrauen. Und Letztens habe ich zum ersten Mal von den anderen ein “das geht doch nicht” zu hören bekommen. Als wir einen neuen Weg suchen mussten und ich vorgeschlagen habe, die Felswand neben dem Wasserfall hinunter zu klettern. “Bist du verrückt?”. Ja. Aber es ist gegangen. Selbiges mit der Klippe in Las Montanas, die vielleicht nicht so hoch ist wie sie in meinen Beschreibungen immer wirkt. Aber im September bin ich eine geschlagene Stunde oben gestanden, um nicht zu springen. Letzte Woche bin ich dreimal gesprungen. Und werde es wieder tun. Mit zusammengekniffenen Augen und Herzklopfen, aber viel Adrenalin und Freude.
Ich habe gelernt, stolz auf mich selbst zu sein. Auf alles, was ich geschafft habe, in diesem Jahr und davor, und auch auf das, was ich noch schaffen werde. “Ich bin stolz auf dich.” An diesem Satz bin ich als kleines Mädchen immer sehr gewachsen. Besonders, wenn er aus dem Mund einer Person gekommen ist, die mir sehr wichtig war. Jetzt sind meine Eltern und viele andere wichtige Personen weit weg. Sie sind weiterhin stolz auf mich, das weiß ich. Aber manche großen und kleinen Erfolge, bekommen andere Leute gar nicht so mit. Weil sie weit weg sind, oder weil die Erfolge in meinem Kopf passieren. Gar nicht so groß aussehen, wie sie für mich sind. Und dann kommt der Satz “Ich bin so stolz auf dich”, auch von einer Person, die mir sehr wichtig ist. Nämlich von mir selbst. Make the little girl you used to be proud of the women you are now. Lass das kleine Mädchen, dass du warst, stolz sein auf die Frau, die du jetzt bist. Dieser Satz klebt an der Wand in meinem Zimmer und begleitet mich. Und das kleine Mädchen ist stolz. Denn es wollte immer über sich selbst hinauswachsen, die Welt sehen und lernen. . Es wollte und will noch immer, Veränderungen annehmen wie sie kommen. Und die positiven Dinge daraus mitnehmen. Es wollte Abenteuer erleben und stärker werden. Und auf den Wellen des Lebens surfen.