Fiesta fertig aus

Singend über Wolken, Blumen und Küsse verabschieden wir uns von Mindo. Und in meiner Melancholie schwingt tatsächlich ein bisschen Kitsch mit. Achtung, es wird persönlich. Ich habe basically das halbe Dorf eingeladen zu unserer Abschiedsparty. Freund_innen, Arbeitskolleg_innen, Verkäufer_innen, Bekannte, alle die man so trifft, wenn man ein Jahr hier verbringt.

Und sie kommen. Fast vor uns, weil wir typisch ecuadorianisch spät dran sind. Ich bilde den Vorhut mit Schubkarre und allem, was wir so aus SALEM ausgeborgt haben. Felix kommt und geht gleich wieder, um einkaufen zu gehen. Eine ganz normale Party also. Es gibt Bananenchips und Kartoffelchips und Wein, weil irgendwie alle dasselbe mitgebracht haben.

Verabschieden ist komisch. Das immer selbe Gespräch, wann wir fahren, reisen, wieder kommen, endgültig fliegen? Ob ich wieder komme werde? Viel Dankbarkeit, von allen und an alle. Viele Emotionen. Lagerfeuer. Und Paos Kätzchen springt zwischendrin herum. Irgendwann wird gesungen. Aus irgendwelchen Gründen haben wir auf einmal drei Gitarren, zwei Ukulelen und eine Musikanlage da. Eigentlich wollte nur Donna singen. Irgendwie singen dann alle. Miguel und ich machen den Anfang, weil wir einfach Lust drauf haben. Das Ganze artet in eine Konzert-Jamsession aus, die beinahe nicht mehr zu stoppen ist.

Gute Nacht Freunde
Es wird Zeit für mich zu gehen
Was ich noch zu sagen hätte
Dauert eine Zigarette
Und ein letztes Glas im Stehen

Reinhard Mey

Felix übt das Lied schon seit Wochen und es passt wirklich gut. Er hat fast alles verstanden, sagt Edwin. Und so stehen wir da, die Crew vom Anfang und vom Ende, Edwin, Felix, Talis und ich, lachend über lustige Reisen und Dummheiten, darüber sinnierend, was wir noch zu sagen hätten bei diesen letzten Gläsern und Zigaretten. Es ist nicht viel. Aber ich bin froh, dass ich diese Crew hatte und wieder habe.

Über den Wolken
Muss die Freiheit wohl grenzenlos sein
Alle Ängste, alle Sorgen
Sagt man
Blieben darunter verborgen
Und dann
Würde was uns groß und wichtig erscheint
Plötzlich nichtig und klein

Reinhard Mey

Das Lied mit dem Flugzeug will Pao hören. Wir haben es schon öfter beim Lagerfeuer zum besten gegeben. So zerrt sie mich zur zweiten Strophe auch auf die Bühne und von hinten taucht irgendwo Donna auf. Ich hatte fast vergessen, wie gut wir drei eigentlich miteinander musizieren. Und als der Refrain klar und dreistimmig, trotz ein paar Gläsern Wein gar nicht so falsch durch die Gegend schallt, wird es ruhig ums Lagerfeuer. Alle hören dem leicht melancholischen Lied zu. Und ich habe ein komisches Gefühl im Bauch. Ein so schönes Abschiednehmen, mit Gedanken an Wolken. Die vielen Lagerfeuermomente, an denen wir das schon gesungen haben, schießen mir durch den Kopf. Ich bin gar nicht mehr bei der Feier, ich bin irgendwo über den Wolken. Begleitet von Ukulelenklängen und Gesang.

Währenddessen haben sich ein paar motivierte Freundinnen ums Essen gekümmert und es gibt Würstchen, Kochbananen mit Tomaten und Käse und ich frage mich, wie sie aus dem Chaos in der Küche überhaupt irgendwas sinnvolles gemacht haben. Haben sie. Und Brownies gibts noch obendrauf. Ich habe kein Lied vorbereitet, sondern ein Video. Und schon beim schneiden ist mir aufgefallen, wie bewegt dieses Jahr war. Weil die meisten Personen auf den Fotos, die die Erinnerungen mit mit teilen, gar nicht mehr da sind. Ich höre Felix’ und Edwins lachen aus dem Hintergrund, sie kennen sich aus. Die Hühnerfotos sorgen für allgemeine Erheiterung. Aber abgesehen davon fragen sich die Leute wohl, was die Geschichten hinter den Fotos sind. Ist vielleicht auch besser, wenn die nicht alle publik sind.

Mir wird von allen Seiten Bier und Wiskey angeboten. Das Konzert hat sich ins Publikum verlegt und Edwin und Pame stimmen fleißig Lieder an. Sie singen mir vor von Blumen und Küssen zum Abschied, die ein leichtes Gepäck für die Reise sind. Dass es irgendwo einen sonnigen Ort gibt und die Steine des Weges zurückbleiben. Und dann muss ich doch ein bisschen Weinen. Weil es so schön ist.

Al partir un beso y una flor
Un te quiero una caricia y un adiós
Es ligero equipaje
Para un tan largo viaje
Las penas pesan en el corazón

Más allá del mar habrá un lugar
Donde el sol cada mañana brille más
Forjarán mi destino
Las piedras del camino
Lo que nos es querido
Siempre queda atrás

Un beso y una flor – Nino Bravo

Die Feier löst sich langsam auf, Pao scheucht alle motivierten Tänzer_innen und Gitarrenspieler_innen ins Haus, damit wir die Hostel Gäst_innen nicht ganz so belästigen. Und irgendwie bin ich müde, der Tag war lang mit viel Wein. “Du hast immer ein Haus in Mindo”, wir passen auf dich auf, sagen sie mir. Das Haus ist jetzt ein Bett am Hostelboden, mit dem Kopf auf Terrans Schoß und eine Polster, den mir Pao untergejubelt hat. Inmitten von allen, die noch weiterfeiern. Gehen will ich nicht, das würde ja heißen sich zu verabschieden.

Spät in der Nacht ist dann das Riesenchaos in der Küche wieder in Normalzustand versetzt, der Raum 3x aufgewaschen und eventuell wieder alles dort, wo es hingehört. Alles SALEM-Zeug in die Schubkarre verfrachtet gehts nach Hause. Die Katze wartet schon vor meinem Zimmer.

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