Schokoraub und andere Unannehmlichkeiten

„Wenn man mal in Mindo ist, dann wird man förmlich ins Chaos hineingezogen. Und dann hat ein Tag auf einmal 48 Stunden, weil sich so viel in 24 gar nicht ausgeht.“, so hat Vanessa es vor ein paar Tagen treffend auf den Punkt gebracht. Nein, wir haben kein Raum-Zeit-Kontinuum entdeckt, nur ein paar spannende Aneinanderreihung an Dingen erlebt. Der Reihe nach:

Unsere Vermieterin Pao hat uns für ein paar Tage in ein anderes Haus gesteckt, weil eine riesige Reisegruppe kommt, die alle drei Häuser ausgebucht hat. Das heißt also alle unsere Sachen chaotisch in die Rucksäcke schmeißen und einen Kilometer weiter ins Dorf ziehen. Danach ziehen wir hungrig los, nur um herauszufinden, das Lokalöffnungszeiten in Ecuador sehr theoretische Konzepte sind. Dass das vegetarische Restaurant um 12 aufsperren sollte heißt nicht, dass wir um zwei dort Quinoasuppe bekommen.

Weil wir den Ankommenstrubel der Reisegruppe nicht unbedingt mitmachen wollen, verziehen wir uns zu Annika und Felix. Dort ist es aber auch nicht viel ruhiger, weil ihre Vermieter:innen spontan beschlossen haben die Schlafzimmertür ein paar Meter zu versetzen. Daher gibts jetzt ein neues Loch in der Wand, eine zugemauerte Tür und ein paar herumschraubende Arbeiter:innen. Mitten drinnen wir am Coworken. Dann gehen Vanessa und Annika Wasser kaufen und lernen Katze Suki kennen, die Vanessas Katzenfreundeskreis erweitert. Ich glaube, bald kennt sie jede einzelne Katze in ganz Mindo beim Namen.

Unser Escape-Plan war auch echt unerfolgreich, wie wir am Abend merken, als die Reisegruppe mit Karacho kurz vor Mitternacht ins Hostel platzt. Beim Schlafengehen dann auch noch ein Schreck: Grüni ist weg. Ob they im anderen Hostel geblieben ist? Das bestätigt Pao ein wenig später und verspricht Grüni zurück zu bringen.

Aus einem chaotischen Tag wird eine unerholsame Nacht, weil die Reisegruppe uns um 6 Uhr morgens unsanft aus den Federn haut. Aber da hatten wir ohnehin längst beschlossen mal zu schauen, ob Quito gerade weniger chaotisch ist. Einen Zwischenstopp auf dem Weg zur Bushaltestelle gibts nochmal bei Annika und Felix, weil der Dusche im Ausweichquartier kein Warmwasser zu entlocken ist. Die beiden haben eine Dusche für uns – und sogar wieder eine Tür! Dass die Dusche abgesehen von uns auch das ganze Bad duscht stört niemanden mehr. Schließlich gehts zum Busbahnhof, der sich in den letzten drei Jahren von einem kleinen Häuschen und einer Haltestelle am Straßenrand zu einem großen Grundstück mit Wartesaal und Busparkplatz erweitert hat. Die ca. 2stündige Fahrt nach Quito kostet aber immer noch dasselbe: 3,6 Dollar pro Person.

Im Bus versuchen wir den Schlafmangel der Nacht zu kompensieren, was Vanessa von der Omi hinter ihr verunmöglicht wird, die sie unabsichtlich aber unaufhörlich an den Haaren zieht. Quito begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein und erinnert uns daran, dass es auf 2800 Höhenmetern liegt. Unsere Lungen keuchen die letzten Stufen zum Hotelzimmer hinauf. Mindo liegt auf 1200 Metern – dass wir es in Ecuador mit beachtlichen Höhenunterschieden zu tun haben, hatte wir irgendwie vergessen. Für manche dieser Zusammenhänge braucht mein Hirn noch ein wenig, und doch merke ich, dass viele hilfreiche Erinnerungen wieder hochkommen, wenn ich Orte wiedersehe. Wo das Klo am Busbahnhof ist und wo die beste Stelle ein Uber zu rufen, welcher Bankomat am ehesten Geld herausrückt, all das poppt stückchenweise wieder in meinem Kopf auf.

Auf einer ersten Quito-Erkundungstour finden wir im Supermarkt einen Zimtsaft, der laut Vanessa nach dem Müller-Milchreis schmeckt. Er wird zu einer vollwertigen Mahlzeit auserkoren. Dann checken wir den Mercado Artesanal Mariscal aus, ein Kunstmarkt, der uns von allen möglichen Leuten empfohlen wurde. Zwischen Schmuck, Alpakadecken und Ponchos sehen wir vor lauter bunter Sachen und Licht gar nichts mehr – was vorteilhaft ist, weil wir dann nicht so viel kaufen. Was ich doch erstehe ist eine kleine Panflöte, die sich aber bei näherer Betrachtung als nicht ganz spielbar herausstellt. Irgendwie möchten die Töne keine Tonleiter ergeben. Vielleicht ist die Flöte auch eher als Wand-Deko gedacht?

Im Hotelzimmer haben unsere Mägen beschlossen, dass der Zimtsaft doch nicht so reichhaltig war und die Lösung heißt Uber eats. Wir möchten in der unbekannten Gegend im Dunkeln nicht mehr rausgehen. Die Lieferung dauert leider 1.5 Stunden und wir werden immer hungriger, aber schließlich entschädigt uns richtig geiles veganes Essen auf der Terrasse. Mit übervollem Bauch gehts ins Bett, um am nächsten Tag gleich weiterzuessen: Das Frühstück im Hotel stellt sich als riesig heraus. Wir essen diese Tage wohl entweder nichts oder richtig viel. So auch zu Mittag, als uns netterweise die ecuadorianische Uni, bei der ich heute zu Gast bin, verköstigt. Wieder veganes Essen, und das reichlich.

Am Abend stellen wir fest, dass schon wieder etwas weg ist: Wir haben unabhängig von einander jede einen Ohrring der jeweils anderen verloren. Gut, dass der überladene Markt auch Ohrringe verkauft! Bei einem netten Typen, der uns gleich auf Englisch zuschwafelt, erstehen wir neuen Pieringschmuck. Und ich starte den nächsten Versuch meiner Panflötenkarriere: Vielleicht muss man auch einfach etwas mehr als 5 Dollar in ein Instrument investieren?

Unsere letzte Station in Quito ist – nicht minder chaotisch – ein Einkaufszentrum. Wir brauchen ein paar Unterhosen und Tofu. Das Ganze endet in einer Bankomatenodysee, weil uns kein Bankomat mehr als 300 Dollar – oder einfach gar nichts geben möchte. Die Sache ist nämlich die: Hier in Quito kann man begrenzt mit Karte zahlen, in Mindo gibt es nur Barzahlung. Es gibt zwar mittlerweile einen Bankomaten in Mindo (das war vor drei Jahren noch nicht so), aber der gibt nur 200 Dollar pro Abhebung raus und verrechnet fünf Dollar Gebühr pro Abhebung. Die logische Lösung wäre also, größere Summen abheben, um Aufwand und Gebühren zu minimieren. Aber die Bankomaten sind gegen uns. Es braucht sechs oder sieben von ihnen, bis wir wieder Bargeld in der Hand haben. Eine Ecuador-Experience.

Zurück in Mindo machen wir das, womit wir Mindo verlassen haben: Bei Annika und Felix duschen gehen. In unserem Badezimmer ist nämlich abgesehen von fehlendem Warmwasser ein totes Insekt, über das sich Ameisen hermachen. Das aber sehr erfolgreich: Als wir von unserem Duschausflug zurück kommen haben die Ameisen so gut aufgeräumt, als wäre nie was gewesen. Ich bin beeindruckt.

Als nervenberuhigende Einschlafhilfe entpuppt sich Paos Katze Luna, die unser Zimmer als ihr Reich betrachtet und kurzerhand auf meinen Beinen einschläft. Kuscheleinheiten inklusive, das entschädigt für so manche andere Dinge. Am nächsten Tag erfahren wir, dass Pao und Luna zu uns in den Tempel 2 ziehen und Vanessa ist im Himmel: Unser Haus zurück und dann noch eine katzische Mitbewohnerin dazu! Der Tag will besser werden.

Zunichte gemacht wird das von einem Blick in den Kühlschrank. Die rabiate Reisegruppe hat doch einfach unsere Milka-Schokoladen mitgehen lassen, die für die Kinder und das Team von SALEM bestimmt waren. Gehts noch? Traurig und wütend versuchen wir zumindest den Gegenwert der Schokolade hier in Ecuador rauszubekommen – damit Pao diesen mit auf die Rechnung schreiben kann. Milka-Schokolade ist hier extrem teuer – ich hoffe ich bekomme irgendwo Ersatz für die Kids. Vanessa bringt meanwhile Pao das Wort „Arschgeigen“ auf Deutsch bei. Während wir also versuchen die Schoko-Preise zu überblicken, unsere Rucksäcke zu packen und ausnahmsweise nichts zu vergessen, versucht Pao verzweifelt, Luna in ihren Katzenrucksack zu bekommen, um sie zu übersiedeln. Letztlich braucht es drei Personen, um sie unter dem Bett vorzuscheuchen und reiseready zu machen. Aber mit vereinten Kräften schaffen wir auch das, ganz zuwider dem Willen der Katzendame des Hauses.

Den Rest des Tages verbringen wir damit den Tempel 2 wieder unser eigen zu machen. Pao putzt, Luna jagt und wir versuchen Masterarbeiten zu schreiben. Tische und Sessel sind wieder da – die waren für die Gruppe alle ein Haus weiter, in der Küche fehlen noch ein paar Sachen. Aber wir sind happy und ab jetzt eine starke Mädels-WG – noch ohne Besteck und Teller.

Der Tag wird abgerundet von einer unabsichtlichen Gossip-Runde bei Felix und Annika, die schon fast zur Gewohnheit geworden ist. Ob die nächste Woche ein wenig ruhiger wird? Wünscht uns Glück.

Ein Kommentar

  1. Na da geht’s ja kunterbunt zu. Zumindest wird euch nicht fad. Das mit der Milka 🍫.. ohne Worte. Lasst euch brav mit gutem vegetarischen Essen und katzisch trösten. Habt ne gute Zeit 😃

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