Stille Nacht, Filmnacht

Wie verbringt man Heiligabend weit weg von zuhause? Traurig und sentimental. Nein. Eher feiernd und sehr glücklich im Kreis von guten Freund_innen. Etwas Gutes Kochen und Weihnachtsfilme schauen, das war unser Plan für den 24. Irgendwie hat es sich dann zu einer kleinen großen Weihnachtsparty ausgewachsen, weil wir alle eingeladen haben, die am Heiligabend nichts besseres zu tun hatten.

So kommen noch zwei Freundinnen von Maja, die einen Freiwilligendienst in Ambato machen und die Ferien in Mindo verbringen. Die bunte Freiwilligentruppe vermehrt sich. Edwin und Talis sind auch wie immer am Start und Jonas folgt tatsächlich auch unserer Einladung. Aber bevor man feiern kann heißt es vorbereiten. Maja und ich fahren kurzerhand mit der Scheibtruhe zum Supermarkt. Die Leute dort sind es ja mittlerweile schon gewohnt, dass wir den halben Laden leerkaufen. Aber diesmal ist es nicht für die Kinder, sondern für uns.

Zwischen verschiedensten Telefonaten nach Hause schaffen wir es sogar gemeinsam zu dritt zu Frühstücken und schon mal Nudeln zu kochen für den Nudelauflauf am Abend. So richtige Weihnachtsstimmung will nicht aufkommen. Freudige Feierstimmung ja, aber alles was ich an Weihnachten verspüre macht jedes mal der blinkende Dorfpark zunichte. Oder das Wetter. Weihnachten so wie daheim ist halt hier nicht. Aber anders und trotzdem sehr schön.

Die Bescherung daheim erlebe ich live per Videocall mit. Eigentlich alles wie immer. Geschenke werden ausgepackt, die Schokolade für mich darf eben mein Bruder essen. Die Geschenke für mich werden in mein Zimmer gelegt, oder auf mein Konto überwiesen. Damit kann man gut leben. Und es fühlt sich wirklich wie dabei sein an, auch wenn ich manchmal schnelle Runden durchs Wohnzimmer drehe, weil sich das Handy schnell bewegt oder die Kamera umgeschalten ist. Die Großeltern kommen wie jedes Jahr und freuen sich sehr mich auch zu sehen. Mein Papa hat als Bescherungshighlight Videos von vor 20 Jahren herausgekramt und wir lachen uns kaputt über meinen Bruder und mich als Babys. Das geht auch über die Entfernung. Ich spiele auf der Flöte und auf der Gitarre Weihnachtslieder vor. Das geht auch, nur nicht gemeinsam wegen Latenz. Aber ist verkraftbar. Die Feiertagsstimmung von daheim springt langsam über und zu meiner eigenen Überraschung bin ich eigentlich gar nicht traurig, sondern vielmehr dankbar, dass das alles so funktioniert, dass ich auf gewisse Art und Weise an zwei Orten gleichzeitig sein kann mit allen meinen Lieben.

Mit Gedanken zurück in Mindo will der Nudelauflauf geschichtet werden. Was wir da genau tun weiß eigentlich keiner, aber es wird schon essbar sein. Dann gehts zu Jonas, er hat uns zum Kaffee eingeladen. Es gibt Bananenbrot und wir steuern Vanillekipferl bei. Da sitzen wir also beisammen, vier Deutsche und zwei Österreicher_innen, alle weit weg von ihren Familien und quatschen über Weihnachtstraditionen, über Ecuador, über Freiwilligendienste und das Reisen.

Später gehts nach SALEM, das Headquarter der Feierlichkeiten. Schon über den Tag verteilt haben Kolleg_innen vorbei geschaut, frohe Weihachten gewünscht und Kekse gegessen. Allein ist man hier wirklich nie. Nach Fotos (mit Weihnachtsmützen, alle!!!) kommt der Nudelauflauf auf den Tisch, der bis auf fehlendes Salz sehr gut gelungen ist. Als Nachspeise finden die Reste von Pudding und Mangosauce der Kinder Verwendung. Edwin und Talis sind mittlerweile dazugestoßen und Bescherung steht an. Zuerst müssen sich alle ein Flötenkonzert von Maja und mir anhören. Das wird pseudo-wertgeschätzt. Dabei spielen wir ja gar nicht so schlecht. Und laut und mit Begeisterung. Zwecks Geschenke haben sich alle selbst übertroffen. Das wollten wir ja eigentlich im kleinen Rahmen halten, aber jetzt häufen sich kleine Aufmerksamkeiten. Mit Schokolade und Keksen bin ich jetzt jedenfalls gut versorgt. Außerdem ein neuer Lippenstift – Felix hat schon Angst ihn wieder unabsichtlich mitzuwaschen. Von Edwin und Talis bekomme ich einen wunderschönen, warmen Poncho mit traditionellem Muster. Für das nächste Campingabenteuer bin ich damit gerüstet. Und a propos Abenteuer, komplettiert wird mein Geschenketisch mit Motorradhandschuhen. Die kommen von Felix, den wir beide haben uns selbst auch ein ordentliches Weihnachtsgeschenk gemacht: Es hat zwei Räder, ist schwarz und laut und steht neben dem Fahrradständer, obwohl es dort nicht ganz dazugehört. Und an alle, die sich jetzt Sorgen machen würden: Felix fährt super, Edwin sowieso und ich übe brav und werde von Tag zu Tag besser. Die Burschen sind jedenfalls meine Fahrlehrer und sehr zufrieden mit den Fortschritten.

Nach den Geschenken gehts zum Hauptteil der Party: Filmabend. Dafür schnell mal alle Matratzen aus den Betten in den Circulo verfrachtet, den Beamer und ein Leintuch kreativ angebracht und fertig ist unser Home-Kino. Talis und Maja haben derweil gefühlte 100 kg Popcorn gemacht. Irgendwie passen wir auch zu siebt auf die Matratzen und schon gehts los mit “Eine schöne Bescherung”. Und etwas später weiter mit dem zweiten Teil und danach “Die Eiskönigin 2”.

Eines ist gleich wie zu Hause: Wir haben viel zu viel gegessen. Bananenbrot, Vanillekipferl, Nudelauflauf, Pudding, Popcorn, noch mehr Vanillekipferl …. ya. Und noch etwas ist gleich: Das Gefühl, einen wunderschönen Tag und Abend mit sehr lieben Leuten verbracht zu haben. Zwischen all den Filmen, Flöten und Geschenken kommt schließlich doch Weihnachtsstimmung auf. Eine andere Weihnachtsstimmung als daheim. Es ist hier ja auch vieles anders. Aber was bleibt ist viel Dankbarkeit für diese Tage und ganz viel Liebe für alle Leute mit denen ich da sein darf und mit denen ich Weihnachten per Videocall verbringen darf. Und am Ende des Tages bin ich einfach glücklich. Frohe Weihnachten. Und viele Grüße und Umarmungen vom anderen Ende der Welt.

Ein Kommentar

  1. Liebe Julia!
    Auch an dich alles Liebe und viele virtuelle Umarmungen! Die werden dann ganz in echt folgen! Das musst dann aushalten… 🙂
    Mum

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