Den Tag starten wir für unsere Verhältnisse früh. Julia macht Eierspeis mit Zwiebel im beschichteten Topf, weil es keine große Pfanne gibt. Sandra beehrt uns nochmal mit ihrem leckeren Müsli. Dann wird wieder alles in Rudi gepackt und Abfahrt. Uns wurde noch empfohlen in den Nationalpark Cajas zu fahren, also peilen wir eine Lagune an und nach 30 Minuten Fahrt (mitsamt Drohe, die Rudi fliegend verfolgt) kommen wir an.
Eigentlich war der Plan nur einen Teil des Sees zu umgehen, aber ein Blick auf den See überzeugt uns, die ganze Runde zu machen. Es ist kühl, wir starten also mit Jacken bepackt auf den Stegen entlang zum See. Irgendwie sieht es hier ein bissi aus wie ich mir die Steppe Texas gemischt mit den verregneten Wiesen Irlands vorstellen würde. Dazwischen das klare Wasser. Julia und Jeremia fangen sofort an hunderte von Fotos zu machen, Sandra und ich marschieren schon mal voraus. Wir treffen uns dann beim Auto. Wo wir alle nach nicht mal zwei Stunden ankommen und Kleidung wechseln, denn wie immer sind alle Hosen und Schuhe dreckig.
Cajas ist so schön und unberührt, dass es mir fast Pipi in die Augen treibt. Ein Fluss, ein See, rundherum Berge. Kalte Luft. Dir Gruppe hat sich aufgespalten, jeder hängt ein bisschen seinen Gedanken nach. Blumen, Blüten, Wasserläufe quer über den Weg. Es ist stellenweise matschig. Pass auf, dass du nicht ausrutscht. Wo geht der Weg jetzt weiter? Ach dort, irgendwo sehe ich Felix’ Hut tanzen. Ob man in dem See baden gehen kann? Eine tolle dumme Idee, sagen Felix und Jeremia. Aber wir haben eine lange Autofahrt vor uns und es ist kalt. Heute Abend gehen wir ins Meer, versprochen. Das Wasser spritzt hoch, als ich durch die Wiese renne. Beim Durchspringen werden meine Schuhe vielleicht nicht so nass. Vielleicht. Jedenfalls macht es Spaß, durch die Wiese zu rennen. Am Liebsten möchte ich dableiben, obwohl es kalt ist. Zu schön, zu beruhigend dieser Ort hier mitten in den Bergen. Aber wir müssen weiter, das Meer ruft.
Wie halt Roadtrips so sind gehts wieder mit Rudi weiter. Zwei Stunden und 30 Minuten sagt das Navi bis zu unserem nächsten Ziel, der Küstenstadt Guayaquil. Dort wollen wir Sandra in ihr Hostal bringen, ihr Freund kommt da am Flughafen an und sie werden morgen ans Meer nachkommen. Am Weg in die Stadt landen wir dann unabsichtlich im Früchteparadies. Irgendwo auf einer Bergstraße taucht nämlich plötzlich ein Obstmarkt auf: Gefühlt 30 verschiedene Bananensorten, Drachenfrucht, Kakaobohnen, Melonen, Ananas. Die Auswahl ist riesig. Wir verkosten also mal die Minibananen und rote Bananen, von denen wir jeweils einen Dollar kaufen – das heißt, dass uns erwa ein Sechstel der Bananenstaude abgeschnitten und in die Hand gedrückt wird. Wir kaufen noch einiges anderes und knacken gleich hinter dem Auto die Kakaofrucht. Nach einer kurzen Einschulung von Julia und Felix lutschen wir alle das weiße Fruchtfleisch von den Bohnen. Die Skepsis verschwindet schnell, ich verliebe mich in das sauer-süße Fruchtfleisch.
Die Fahrt an die Küste repräsentiert Ecuador so wirklich. Jedes mal wieder bin ich beeindruckt, wie sich Landschaft so schnell verändern kann. Da fährt man gerade noch durch die Berge, Alpakas auf der Straße. Links sieht man einen schneebedeckten Berggipfel. Eine halbe Stunde später säumen Bananenbäume und Nebelwald die Straßen, es wird wärmer. Der Früchtemarkt taucht wie aus dem nichts auf. Weiter gehts bergab Richtung Meer. Auf einmal sind wir nicht mehr auf der schmalen Bergstraße, sondern auf einer mehrspurigen, flachen Landstraße. Sind das Reisfelder? Aus dieser Region kommt wohl Ecuadors Reis. Dann sehen wir auch schon das Meer vorbeiziehen. Macht die Fenster auf. Es ist schwül, es riecht nach Meer und Sommer.
Wenig später fahren wir in Guayaquil quer durch die Stadt, dort herrscht Verkehrschaos vom Feinsten. Felix flucht, wir starren aus den Fenstern, weil wir endlich das Meer sehen. Wir kommen am Flughafen vorbei, den Julia und Felix von ihrer chaotischen Anreise vor sechs Monaten noch gut kennen. Es ist ein komisches Gefühl, wenn die Flugzeuge zwischen Häusern und Straßen landen, denn irgendwie ist der aeropuerto sehr zentral in die Stadt eingewoben. Einmal die Fenster aufmachen bitte, Meer riechen. Kalt wird uns jetzt definitiv nicht mehr, die Jacken vom Vormittag werden weggepackt und gegen kurze Hosen eingetauscht. Beim Hostal angekommen suchen wir dann was zu essen. Wie immer ist es schwierig hier was vegetarisches aufzutreiben, also verschlägt es uns in ein asiatisches Lokal. Für Julia und Felix ein ungewohntes Gefühl, die beiden haben seit Österreich nicht mehr asiatisch gegessen. Dann also Sandra im Hostal abliefern und wieder weiterfahren. Irgendwie eine never ending story, dieses Autofahren. Nur eine Sache hat sich geändert: Mit einer Person weniger im Auto hat die Rückbank plötzlich viel Platz. Und man sieht das Chaos besser, dass wir bei den vielen Autofahrten veranstaltet haben.
Ich weiß nicht mehr, wie lang wir unterwegs waren, aber irgendwann hat Felix Schokolade verlangt. Ja, hier werden Kakaobohnen gepflanzt und geerntet, aber in den Kiosk am Straßenrand sucht man Schokolade oft vergeblich. Was sie uns also bieten ist Eskimo-Eis und pseudo schokoladige Kekse, die wir kaufen und gut im Auto verstauen. Mit neuer zuckerreichen Energie schaffen wir es dann auch fast bist Puerto López durchzufahren. Als es dunkel wird übernehme ich das Steuer von Felix und irgendwie vergeht die Zeit schnell.
Gegen 21:00 Uhr begrüßen wir dann unsere Unterkunft für die nächsten paar Tage: Eine zweistöckige Holzhütte, zwei große Schlafzimmer wo wir alle sechs Platz finden. Klimaanlage und Warmwasser suchen wir vergeblich, dafür ist das Meer nur einmal die Straße runter. Also gehen Jeremia, Felix und Julia baden, während ich einen nächtlichen Spaziergang am Wasser entlang mache. Danach noch ein Abstecher ins Dorf, Burger für die Truppe und dann endlich Gute Nacht.
Wie immer aufregend zu lesen.