Früchte, Vögel und Flöten

Langsam lerne ich die spanischen Ausdrücke für die Gerichte hier. Ich darf jeden Tag an die Menütafel schreiben, was es zu essen gibt. Das gestaltet sich aber als etwas schwierig, wenn ich die halben Vokabeln nicht weiß. Fernanda, die Köchin, diktiert mir also das Menü aus dem Küchenfenster, ich schreibe mal irgendwas auf und schaue dann mit dem Handywörterbuch, ob das auch Sinn macht. Macht es nicht immer, weil das Handy auch nicht alle ecuadorianischen Gerichte kennt.

Am tollsten ist es, wenn ich weder das spanische, noch das deutsche Vokabel für etwas kenne, weil es sowas in Österreich einfach fast nicht gibt. So habe ich die Granadilla kennengelernt, Passionsfrucht, erklärt mir das Handywörterbuch. Sie ist ähnlich einer Maracuja, aber süßer. Megagut. Wie man sie isst, musste ich erst mal den Kindern abschauen. Man öffnet die Schale und drinnen ist Fruchtfleisch mit Kernen, das man dann wahlweise in den Mund kippen oder mit den Fingern essen kann. Edwin sagt, dass sich die Frucht am besten öffnet wenn man sich vorher damit auf den Kopf haut. Wahlweise könnte man vielleicht auf Edwin auf dem Kopf hauen damit, habe ich noch nicht probiert…. Im Laden von Señora Luisa bekomme ich jedenfalls fünf Granadillas um einen Dollar, die werde ich mir jetzt öfter gönnen.

Eine weitere für mich neue Frucht ist die Kochbanane – platano. Die sind größer als normale Bananen und meist noch grün wenn man sie verarbeitet. Fernanda macht daraus Patacones, frittierte, flachgedrückte Kochbananen. Und weil ich schon wieder so verdutzt dreinschaue was das denn ist, darf ich noch vor den Kindern ein Stück probieren. Es schmeckt wider erwarten nicht süß sondern eher salzig, aber lecker.

Neben all diesen Erfolgen ist aber auch ein trauriger Misserfolg zu beklagen, der eigentlich nichts mit Essen zu tun hat – eher mit nicht essen: Eines Abends kommt Edwin mit einem Vogelbaby. Es ist aus dem Nest gefallen und noch sehr klein. Wir setzen es in einen Wollschuh von einem Kind und geben ihm Wasser und Obst. Am nächsten Tag finden wir den kleinen Vogel quietschfidel in einem Kunst-Nest im Gruppenraum wieder. Im Teamwork flößen wir ihm Wasser ein, bauen einen behelfsmäßigen Käfig und bringen den kleinen Vogel in Felix’ Zimmer vor der Katze in Sicherheit. Wir sind stolze Vogeleltern. Dann aber, als wir ihm nach dem Mittagessen eine Banane bringen wollen, die große Ernüchterung. Unser kleines Vögelchen liegt tot im Käfig. Warum weiß keiner. Wir sind sehr traurige, bestürzte und anscheinend sehr unfähige Vogeleltern. Silvana mutmaßt, dass wir eigentlich nichts falsch gemacht haben, sondern das Baby einfach noch zu jung war um ohne die Vogelmutter zu fressen. Wir wissen es nicht. Mit so viel Ehre wie uns gerade einfällt wird der kleine Vogel am Kompost bestattet, RIP Vögelchen. Du warst noch viel zu klein.

Vogelbaby hin oder her, die Arbeit muss aber weitergehen. Die Nachmittage haben wir diese Woche damit verbracht, in den verschiedenen Kindergruppen zu hospitieren. Die sechs- bis achtjährigen sind sehr lieb und freuen sich total, dass ich da bin. Sie bringen mir gleich ihre Lieder und Reime bei und schnell finde ich mich inmitten einer Gruppenumarmung wieder. Manche Dinge sind ja doch gleich wie daheim. Die ältere Gruppe der Pre-adolescentes möchte mit mir Tic Tic Boom spielen. Bei diesem Spiel muss man so schnell wie möglich Wörter mit den Silben auf den Kärtchen bilden, auf Spanisch natürlich. Naja, im Endeffekt spielen dann gleich zwei Kinder mit mir im Team, damit ich nicht haushoch verliere. Beim Musikunterricht darf ich auch dabei sein und mitmachen. Luis, der Musiklehrer drückt mir eine Blockflöte in die Hand. Schnell kann ich die kurze Melodie spielen und darf ans Klavier wechseln. Und von dort weiter an die Gitarre, die Kinder sind beeindruckt. Dass Musik aber doch nicht so universal verständlich ist, zeigt sich bei Notennamen. Luis verwendet Do-Re-Mi-Fa-So und nicht C-D-E-F-G wie ich es gewohnt bin. Es dauert also meist eine Zeit, bis wir vom selben Akkord reden. Aber wir verstehen uns super, vielleicht darf ich ihm später beim Kinderchor helfen.

Musikalisch geht es weiter, vor meinem Fenster pfeift ein Tonleitervogel. Den hab ich selbst so benannt, weil er eine Tonleiter abwärts pfeift. I like it. Dazu kann man besser schlafen als zu den schreienden Hähnen.

4 Kommentare

  1. do re mi fa so gibt es bei uns auch um singen zu lernen, aber deine Mutter fand diese Methode nicht so toll wie die Ungarn – wurscht das geht auch anders wenn man nur genau zuhört 🙂
    Ich hoff du singst und spielst uns dann auf spanisch und musikalisch international vor …. besonders Betty und David – denen feht die Musik schon sehr!
    Ich merke es taugt dir total – das freut mich sehr!

  2. Ich freue mich schon auf einige ecuadorianische Gerichte, wenn du wieder da bist😁.
    Schön, dass du deine musikalische Ader ein bisschen ausleben kannst🎶.
    Man kann mit deinen Geschichten echt gut teilhaben an deiner weltnarrischen Phase 👍👋.

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