Die Zeit in einer Flasche

Das Wasser spritzt gegen die Steine, die nächste Welle rollt an. Der Wind pfeift mittlerweile kühl, es ist finster. Und ich sitze oben auf den Steinen und frage mich, ob man Zeit in eine Flasche füllen kann. Was ich damit meine? Alle diese Glücksmomente wie dieser hier, in denen mein Gehirn große, positive Gedanken wälzt. Sie sind so freudig, antreibend, aufbauend. Dann habe ich das Gefühl, alles ist gut oder wird es zumindest. Ich mache große Pläne, voller Vorfreude und Tatendrang. Ich lausche der Musik in meinem Kopf, die gerade Gedanken und Zukunftsvisionen komponiert. In Dur, mit Trompeten und Posaunen oder gleich einem ganzen Sinfonieorchester. In forte und allegro, begleitet von einem großen Chor an Freude, die sich im ganzen Körper ausbreitet.

Aber dann, im grauen Alltag, verschwindet das alles auch ganz schnell wieder. Die Sinfoniemelodien werden leiser und verhallen, die Pläne werden als verrückt oder nicht umsetzbar in den hintersten Winkel des Gehirns verbannt. Tacet.

Doch was wäre, wenn ich die schönen Momente einfach irgendwo einsperren könnte, das Gefühl konservieren und es herauslassen, wenn ich es gerade brauche?

Ich wollte ich wüsst’,

Wie man Zeit in eine Flasche füllt,

Dann müsst ich sie nur öffnen und schon

Wär alles wieder so wie es war.

Zeit in einer Flasche – Musical Rebecca

Ich liege im Bett, ein Lächeln auf den Lippen, die Katze schnurrend auf mir. Es gab wieder solche Momente, die mich glücklich machen und durch den Tag tragen. Momente, die man gar nicht richtig festmachen kann und doch schießen auf einmal Endorphine durch den Körper. Momente, die ich auch gerne in eine Flasche füllen würde um sie zu bewahren, nicht zu vergessen, wieder abrufen zu können. Denn irgendwann, da lassen die Endorphine wieder nach, ich schleppe mich durch den Tag anstatt getragen zu werden und sehne mich nach neuen Glücksmomenten. Die kommen halt nicht immer, denn die schönsten davon sind ungeplant, unvorhersehbar und spontan. Und da wünschte ich, ich hätte eine Flasche voller Glücksgefühle für die Durststrecken.

Ich wünsch’ mir ich würde wissen,

Wie man festhält, was nicht greifbar ist:

Den Zauber eines Blicks,

Die Wahrheit eines Traums,

Das Wunder des Verstehns.

Denn würde ich wissen,

Wie man Glück in eine Flasche füllt,

Müsst ich sie nur öffnen und schon

Wär jeder Moment wieder wahr.

Zeit in einer Flasche – Musical Rebecca

Eigentlich habe ich solche Flaschen. Fotos sind eine, der Blog ist eine andere, alles festgehaltene Erinnerungen, jederzeit abrufbar. Die Gefühle dahinter, teilweise abrufbar. Von den schönsten Momenten gibt es meistens keine Fotos. Und außerdem haben festgehaltene Erinnerungen oft einen bitteren Nachgeschmack. Eine schöne Erinnerung an eine gute Zeit und gleichzeitig die bittere Wahrheit, das der schöne Moment aber der Vergangenheit angehört. Irgendwann wird dieses ganze Jahr Vergangenheit sein, meine Blogeinträge, meine Fotos, meine Glücksmomente, meine Leute und meine Zeit hier. Wie fülle ich das Ganze so in eine Flasche, dass es nicht anfängt zu verderben, zu gären, keinen bitteren Nachgeschmack bekommt?

Ich wünsch’ mir ich würde wissen,

Wie Erinnerung lebendig bleibt,

Wie man den Augenblick

In dem die Sehnsucht starb

Vor dem Vergehn bewahrt.

Zeit in einer Flasche – Musical Rebecca

Ich sitze hier und schreibe. Mal wieder. Und wenn ich alle Gedanken und Erinnerungen festhalte, dann bleiben sie vielleicht lebendiger. Wenn die schönen positiven Gedanken festgeschrieben sind, dann kann ich sie nicht vergessen, und immer und immer wieder lesen. In Momenten, in denen ich sie brauche. Ob das reicht, um die Zeit in eine Flasche zu füllen? Es ist ein Versuch. Ob er gelingt, oder der Inhalt irgendwann verdirbt, wird sich zeigen. Aber bis dahin geht es weiter, noch viel Zeit erleben, die in die Flasche gefüllt werden will.

Weißt du vielleicht, wie man Zeit in eine Flasche füllt? Sagst dus mir?