Farbwassermehlschlacht

Der letzte Tag von Karneval. Über den hören wir seit Monaten wilde Geschichten. Am Ende des Tages sind wir alle sehr nass, dreckig und bunt. Also halt noch nasser und dreckiger als sonst. Denn Karneval in Mindo wird nicht wie daheim mit Verkleidungen und Faschingsumzügen begangen, sondern mit Straßenschlachten mit Wasser, Mehl, Eiern, Farbe und was einem sonst noch so einfällt.

Aber zuerst einmal wird ausgeschlafen. Der erste Tag seit Langem, an dem ich nicht wirklich was zu tun habe. Und das zelebriere ich damit, bis um 12 im Bett zu bleiben. Als ich endlich aufstehe, ist Felix gerade wieder schlafen gegangen. Ein Chilltag. Gegen 4 mache ich mich dann doch ausgeschlafen auf ins Dorf, um Edwin und die ganze Partie zu suchen. Der Plan geht nicht ganz auf, ich finde sie nicht. Dafür bin ich, allein und unbewaffnet ein leichtes Opfer für die Straßenschlachten. Vor unserem kleinen Frechdachs mit ein paar Eiern in der Hand habe ich wenig Angst, aber als mich seine ganze Truppe packt hab ich wenig Chance. Rosa Wasser wird über den Kopf gegossen, keine Ahnung was noch alles. Prustend und lachend flüchte ich zurück nach SALEM. Felix holen und wir müssen uns bewaffnen. Mit was? Die Putzkübel von Maykeel können wir uns sicher ausborgen. Und was findet sich noch so an grindigem Zeug? Zum Schluss haben wir eine übel aussehende Flasche mit einer Mischung aus Wasser, Senf und Knoblauchsoße in der Hand. Und ein bisschen Mehl darf nicht fehlen.

Auf ein neues. Diesmal finden wir Edwins Gruppe schnell. Ob wir das wirklich wollten ist eine andere Frage, denn das Aufnahmeritual in die Gruppe richtet uns schlimm zu. Felix bekommt rote Farbe im Gesicht ab, ich schwarze, nass werde wir auch und was ich da eigentlich in den Haaren habe weiß ich nicht. Kann Felix mir auch nicht sagen. Dafür bekommt Edwin eine gewaltige Portion Mehl mit Wasser ab. Aber jetzt sind wir Mitglieder der größten Kampftruppe im Dorf und viel mehr kann uns damit eh nicht passieren. Wir rennen also herum, spritzen die anderen Gruppen ab und werden selbst abgespritzt und suchen ein paar Leute, mit denen wir noch Rechnungen offen hätten. Die finden wir nicht, dafür ein paar Kolleg_innen die auch was abbekommen. Einzig und allein Jonas bleibt verschont, obwohl er einen halben Meter von mir entfernt mit dem Rad vorbeifährt. Aber mit dem Chef legt man sich vielleicht besser nicht mit einem Farbwasserkübel an. Und mit den SALEM-Kinder auch eher nicht, die begrüßen mich lieb und nass und dürfen ihre Wasserspritzen in meinem Kübel auffüllen.

Dazwischen gehts in den Fluss baden, damit es nicht so aussieht, als hätten wir Farbe abbekommen von den anderen. Mein Gesicht ist und bleibt aber schwarz. Verdammt. Auf der Hauptstraße steigt mittlerweile eine riesengroße Schaumparty. Schon seit dem Wochenende steht dort eine große Bühne mit DJ, heute haben sie davor auch eine Schaumkanone platziert. So steht also die halbe Straße unter Schaum und alle eh schon watschelnassen Leute tanzen darin. Supercool. Die laute Musik hört man im ganzen Dorf und untermalt wunderschön unsere Aufmärsche und Straßenschlachten.

Es beginnt zu regnen. Eh wurscht, nass sind wir schon. Aber kalt wirds irgendwann. Bei der Schaumparty ist es wärmer. Dort finde ich auch Felix wieder, der irgendwann zwischendurch im Trubel verloren gegangen ist. Oben Regen, unten Schaum, wir alle nass, es ist ein Bild für Götter. Nur schade, dass niemand ein Handy mithat um es zu fotografieren – denn das wäre innerhalb kürzerster Zeit auch dreckig, nass und bunt.

Genug vom Schaum, gehts irgendwann nach SALEM. Mit Gewand unter die Dusche und mal Augen auswaschen. Da hab ich nämlich auch alles reinbekommen. Mein Gesicht bekomm ich endlich sauber, Felix ist immer noch rot. Und das Zeug aus meinen Haaren mag auch nicht ganz rausgehen. Erledigt und bisschen sauberer chille ich erst mal eine Runde im Bett, aber der Nachmittag hat sich ausgezahlt.

Ich telefoniere eine Runde mit Vanessa, die inzwischen in Wien ist, und der Strom fällt wieder aus. Also heißt es im Kerzenschein Abendessen zu kochen. Dem Gasherd sei Dank. Ob die Party noch was wird heute? Ruhig ist es auf einmal im Dorf, die Schaumpartybühne hat auch keinen Strom mehr. Egal, irgendwo findet sich eine Party, beschließen wir. Und dann kommt alles auf einmal wieder: Edwin und Talis, der Strom und die Musik. Party gerettet. Die Schaumkanone ist mittlerweile abgestellt, man muss auch nicht mehr so viel Angst haben nass zu werden. Da tanzt sichs dann doch besser. Welche Musik kann man sich heute aussuchen, weil in jeder Straße eine andere gespielt wird. Die Polizei beobachtet das Treiben gechillt und ist heute auch nicht so streng mit der Sperrstunde. Keine Ahnung unter welches Sperrstundengesetz Hauptstraßenschaumpartys fallen, aber Karneval ist halt nur einmal im Jahr. Und so geht die Party noch lange weiter, als wir schon am Weg zurück nach SALEM sind: Denn morgen ruft die Arbeit. Und da sollen wir möglichst wieder trocken, sauber und ausgeschlafen antanzen. Und ab morgen fliegen dann auch keine Wasserkübel mehr durch die Gegend. oder so.

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