Vom Reisen und Abschied nehmen

24 Tage Ecuador, das war bisher meine längste Reise. Ich habe schon einige lange Reisen gemacht, alle waren sie einzigartig. Den Suezkanal durchfahren, in Japan Ramen essen oder im Oman Rad fahren. Sie alle haben aber auch einiges gemeinsam, Momente und Gefühle, die sich gleichen. Ich hab diese Gemeinsamkeiten in sechs Stufen zusammengefasst und auf diese Reise abgestimmt.

  1. Vorbereitung und Vorfreude:

Man bucht, man plant, man wartet. Auf diese Reise bereite ich mich seit Oktober vor, da haben Julia und ich das Reisedatum festgelegt und ich den Urlaub in der Arbeit eingereicht. Ich fiebere seitdem auf die Abreise hin, besonders nach über zwei Jahren ohne reisen. Dann wird chaotisch Koffer gepackt, Dokumente ausgefüllt, PCR Test gemacht. Im Jänner gehts in Selbstisolation, damit nicht Corona meine Reise durchkreuzt. Und schon ist er da, der große Moment, wenn das Flugzeug abhebt. Als wir in Wien starten lache ich und die Freudentränen kommen. Mein Fernweh zeigt sich. Dazu noch die Vorfreude meine beste Freundin endlich wieder zu sehen und umarmen zu können. Videotelefonie hin oder her, es ist nicht dasselbe wie sich gegenüberzustehen.

  1. Ankommen und Fremd sein

Dann bin ich an diesem neuen Ort, bin fremd und orientierungslos. So blöd es klingt, aber oft sind Toiletten so etwas gewöhnungsbedürftiges. In Japan haben sie mit mir gesprochen, in Ecuador muss das Klopapier in den Mistkübel. In den ersten Tagen macht sich oft ein Unwohlsein breit, irgendwie will ich da nicht sein. Das ist ein Gefühl, dass nicht immer gleich stark ist. Wie ich in meinem ersten Artikel hier geschrieben habe: In Ecuador ankommen war ein bisschen wie heimkommen. Da ist ein mir wichtiger Mensch und das hat die Fremde überwogen. Ankommen dauert, aber in Ecuador weniger lange als sonst.

  1. Normalität und Alltag

Einige Tage nach dem Ankommen stellt sich in der Regel eine gewisse Gewohnheit ein, ein neuer Alltag sozusagen. Ganz oft ist das erste das sich einspielt das Essen, wenn sich die Essensgewohnheiten der Gruppe mit der Auswahl vor Ort abgleichen. Oder eine Badezimmerroutine markiert den neuen Alltag. Die Rundreise lang ist auch das stetige aus- und einpacken unserer Sachen eine neue Normalität. Wo welcher Rucksack in Rudi‘s Kofferraum seinen Platz hat ist ab Tag 2 ganz klar. Dass wir immer ein volles Glas Erdnussbutter für Sandra und mich brauchen ist mindestens genauso entscheidend, wie Käse für Felix und Schokolade für Julia. Sobald Dinge wie diese geklärt sind, fängt die Zeit an zu verfliegen.

  1. Müdigkeit und Trägheit

Kaum lebt man sich richtig im Reisemodus ein und die erste Aufregung legt sich, lässt auch die Energie nach. Tagelang Pläne schmieden, die nicht aufgehen, ziellos durch die Städte hetzen oder mit zu wenig Wasser den Berg erklimmen zerrt an allen Beteiligten. Abends geht der/die eine oder andere früher schlafen, das Frühstück wird immer später. Einmal einen Tag im Zimmer bleiben klingt plötzlich sehr verlockend, obwohl es vor der Tür so viel zu sehen gibt. Nach etwas über einer Woche, die uns Rudi fast täglich woanders abliefert sind wir froh am Strand durchschnaufen zu können. Wir verlängern eine Nacht unser AirBnB, die Pause tut uns allen gut.

  1. Ende und Abschied

Plötzlich machen sich die ersten Gedanken zur Rückreise breit. Wann geht eigentlich der Flug? Für wen habe ich eigentlich noch kein Souvenir? Warte mal, in meiner Galerie kommen immer weniger neue Fotos dazu… Und ein Augenzwinkern später ist der böse Tag da und es heißt Abschied nehmen. Von mehr Freiheiten, weniger Handykonsum, dem Gedanken-loslassen, den neuen Orten und den Menschen, die eine Reise lang kommen und gehen. Das ist nie einfach, aber diesmal besonders intensiv.

  1. Heimkommen und Kulturschock

Jaja, ich will es auch nicht glauben, aber Kulturschock gibt es scheinbar auch nach nur ein paar Wochen im Ausland. Das sagt Julia mir am Telefon, nachdem mir meine Wohnung plötzlich zu groß und zu modern vorkommt. Die Klos in Amsterdam zu schön für mich sind. Ich überlege den FI-Schalter meiner Wohnung zu kippen, um einen Stromausfall a la Mindo zu simulieren. Heimkommen ist nach manchen Reisen eine Erlösung, diesmal aber nicht. Jetzt wirkt da alles fast so fremd wie anfangs in Ecuador. Nur dass da gerade niemand ist, der mit mir redet bis ich einschlafe. Was ich langsam aber sollte, denn das Jetlag hält mich wach. Hier ist es fast 2 Uhr morgens, in meinem Körper und in Mindo erst 8 Uhr abends.

All diese Phasen durchlaufe ich jedes Mal, so auch diesmal. Aber ich versuche die Müdigkeit etwas abzufedern und verbringe meine letzten Tage in Mindo. Jeremia verzieht sich in den Dschungel, er sucht ein neues Abenteuer. Ich will keine Aufregung mehr, ich will Ruhe. In Salem ist aber doch immer etwas los: Ich helfe in der Küche, lausche Felix‘ Photoshop-Workshop und freue mich, dass ich schon einiges von seinen spanischen Erläuterungen verstehe. Julia will mir Edwin und Talis übersetzen, aber ich stoppe sie und versuche es holprig selbst. Langsam wird’s, zumindest genug für mein Ego. 

Abends schauen immer wieder Leute vorbei, Julia schleppt mich zu ihrem Papi Pollo Laden des Vertrauens. Hier sieht es ein bissi nach Lebensmittelvergiftung aus aber für den Abend vergesse ich mal, dass ich eigentlich Vegetarierin bin. Felix und ich erkämpfen uns die besten Brownies auf dem Planenten obwohl die Manufaktur schon geschlossen hat. Nach drei Tagen lachen die Verkäufer schon, als sie uns bei der Tür reinkommen sehen. Ich genieße es sehr, angekommen zu sein und nochmal zu erleben, wie Julia und Felix hier ihren Alltag führen. Ich überlege noch einen Ausflug zu machen, aber die kleine Katze will kuscheln und Julia‘s Bett ist letztlich bequemer, als rauszugehen. Bequem genug, um auch mal zuhause anzurufen. So vergehen die letzten Tage ein wenig zu schnell. Tage, die auch mal Zeit bieten zu quatschen. Auch das genieße ich sehr, es gibt viel zu berichten. Wie ist dein Leben hier, wie meines zuhause? Was gibt es neues? Wie geht es denn allen eigentlich? Wir reden und reden. Ein paar blöde Ideen inklusive, denn plötzlich habe ich ein Tattoo mehr.

Dann ist der letzte Abend da, morgen um 5:30 Uhr läutet der Wecker. Julia und ich bleiben die halbe Nacht wach, lassen die Reise nochmal an uns vorbeiziehen. Wir durften so viel sehen und lernen, jetzt müssen wir das erst mal verarbeiten. Ich beschließe zuhause ein Fotoalbum zu gestalten. Irgendwann schlafen wir dann doch ein, wachen nach ein paar Stunden verwirrt durch den Wecker wieder auf und ich packe den Rest meines Koffers. Die Busfahrt nach Quito verschlafen wir, dort angekommen suchen wir mit Jeremia die Stadt nach Kakaofrüchten ab. Dann die letzte Uber-Fahrt zum Busterminal, wo der Busfahrer die Abfahrt zum Flughafen in zehn Minuten ansagt. Es regnet, Jeremia, Julia und ich stehen am überdachten Busbahnsteig. Irgendwie will niemand zuerst tschüss sagen, aber irgendwie tun wir es dann doch. Noch einmal fest umarmen, dann winkt der Busfahrer uns ungeduldig zum Einsteigen. Und schon sind wir weg, bald am Flughafen in Quito, dann sieben Stunden in Amsterdam, dann in Wien. Unser Zuhause hat uns wieder, unsere Realität hat uns wieder.

Auch wenn die Reise bei mir noch nicht ganz eingesickert ist, spüre ich gerade vor allem Dankbarkeit. Dankbarkeit für die Leute, die mich die letzten Wochen begleitet haben und die ich kennenlernen durfte. Unser Reisetrupp als Konstante, andere Menschen für einen kurzen Augenblick. Dankbarkeit für die Orte, die ich gesehen habe und die Momente, die ich erleben durfte. An dieser Stelle auch danke an dich, Julia. Danke, dass du mir dein neues Zuhause gezeigt hast und ich hier am Blog mitwirken durfte. Die Zeit in Ecuador war außergewöhnlich und ich bin froh, dass ich hier auf weltnarrisch vieles davon teilen konnte. Ich freu mich, dass ihr alle unsere Reise verfolgt habt. Das hier ist der finale Abschied dieser Reise und ich hoffe, dass ich nicht zu bald wieder „Auf Wiedersehen“ zur irgendjemanden sagen muss. Also tschüss und ¡Hasta luego! von mir an an euch. Und bleibt Julia auf den Spuren, von ihr gibt es viel zu lernen. 

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