Heute gehts los, auf meine erste Reise allein. Ich sehe dem Ganzen mit Freude, aber auch Respekt entgegen. Dass ich eine gute Zeit meines Urlaubs allein verbringen werde, hat sich schon länger abgezeichnet. Meine Freiwilligenkolleg_innen haben alle einiges an Besuch mehr bekommen und meine Freund_innen von hier arbeiten fast alle und bekommen nicht so lang frei. Oder können sich die Reise nicht leisten. Wie auch immer, zuerst hat mir das ziemlich Angst gemacht. Ich, allein unterwegs? Aber nach doch einiger Reiseerfahrung fühle ich mich schon sehr wohl damit, in Ecuador herumzukommen. Ich kann das Land und die Leute schon einschätzen und weiß, wie gewisse Dinge funktionieren. Und irgendwie habe ich auch das Gefühl, es passt gerade ganz gut, allein zu reisen, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und genau das zu tun oder nicht zu tun, was mir gerade passt. Und ja, ich passe auf mich auf. Hab mir vorher auch ein paar Allein-Reise-Tipps von der lieben Kat geholt, die das schon öfter gemacht hat. Und wenn was schief geht, wird improvisiert, wie immer. Mit im Gepäck ist dafür ein Yumbos-Brownie (Spende von Donna und Felix) und Schokolade. Damit lassen sich Probleme meistens irgendwie besser machen. Fingers crossed.

Wo gehts hin? Nach Puerto Misuhualli, am Rande des Dschungels. Nachdem ich zu Weihnachten meine Dschungelreise so sehr genossen habe, wollte ich mir noch mehr von der Dschungelgegend anschauen. Ein süßes Air-Bnb in the middle of nowhere gefunden und diesmal sogar mit Wlan.

Das Reisen fängt an mit Planung und Packen. Ersteres belasse ich lose, um spontan entscheiden zu können. Zweiteres ist dann doch etwas wichtiger. Normalerweise packe ich schnell meinen Rucksack und verlasse mich dann drauf, dass Felix oder irgendjemand anderes schon alles mithaben wird, was ich vergessen habe. War bis jetzt auch immer so. Nur jetzt sollte ich vielleicht alles mitnehmen. Mal sehen, was ich trotzdem vergessen hab. Kleidung ist von Bikini bis warmer Jacke alles eingepackt, wie fast immer in Ecuador, wo man durch die Jahreszeiten reist. Sonst noch ein Haufen Medikamente, die ich nicht vorhabe zu brauchen und viel zu viel Essen, weil ich nicht einschätzen kann, was ich alleine brauche. Sonst versorge ich immer Mami-like die ganze Gruppe, jetzt muss Mami sich nur selbst versorgen.

Die kleine Katze ist ziemlich verwirrt, warum ich um 6 Uhr aufstehe und mich verabschiede. Sie wollte doch gerade kuscheln. Aber mitnehmen werde ich sie nicht, obwohl das in Lateinamerika gar nicht so unüblich wäre. Aber Jonas hat versprochen zu füttern und SALEM am laufen zu halten.
Felix und Donna treffe ich schon am Weg zur Bushaltestelle. Sie fahren in die eine, ich in die andere Richtung. Ihr Bus kommt zuerst, Abschiedsumarmungen los gehts hintereinander zum Y de Mindo. Dort trennen sich die Wege in die entgegengesetzte Richtung, sie fahren zum Strand, mein nächster Stop ist Quito.

Die Strecke kenne ich schon gut, bin sie in letzter Zeit so gefühlt 100 Mal gefahren. Normalerweise setze ich mich in den Bus und schlafe bis Quito durch. Heute bin ich dafür ein bisschen zu aufgeregt. Aber als ich gefrühstückt habe und den Rucksack in eine meines Erachtens nach wirklich diebstahlsichere Position gebracht hab, schlafe ich doch ein bisschen.
In Quito treffe ich als erstes meine Chefin Sule. Die besucht über Ostern ihre Familie. Praktisch, denn dann kann sie gleich auf meine Sachen aufpassen, während ich aufs Klo gehe. Und sie lässt sichs auch nicht nehmen mich mit dem Taxi ein Stück mitzunehmen. Währenddessen schickt mir Silvana die Nummer einer Freundin, die in Tena wohnt und die ich gerne anrufen kann, wenn ich was brauche. So allein bin ich also gar nicht, es denken eh alle mit.

Dann gehts einmal der Länge nach durch Quito, vom Nord- zum Südterminal. Weiter Richtung Tena, wobei mir jeder unterschiedliche Buszeiten sagt. Zwischen 4 und 6 Stunden ist alles dabei.

Langsam wird das Busfahren nervig, ich rufe meine Eltern an und plaudere ein bisschen. Der Bus ist voll, den großen Rucksack musste ich unten verstauen. No me gusta. Feiertag halt. Faad wird mir aber trotzdem nicht, zwischen ausnahmsweise guten Filmen ( die lateinamerikanische version von fack ju göthe) und einem wunderschönen Ausblick. Die Sierra ist jedes mal wieder imposant. Die Straßen sind sogar alle da und ich komme in Papallacta an dem Restaurant vorbei, an dem Maja und ich zu Silvester gestrandet sind. Langsam erkenne ich Orte wieder, es ist nicht mehr alles neu.

Weiter gehts durch die Berge, es regnet. “Hielo”, sagt meine Sitznachbarin auf einmal und deutet auf die Berge. Eis. Sind wir wirklich so hoch? Ob das weiße vor dem Fenster wirklich Eis ist, lässt sich durch die regennasse Scheibe nicht verifizieren. Dann verändert sich die Landschaft, es wird wärmer. Langsam kommen wir in Dschungelgegend. Eine Weile noch, sagt meine Sitznachbarin. Sie hat mich zwar zuerst laut telefonierend genervt, aber sich im Endeffekt als sehr nett herausgestellt. Obwohl wir die ganze Fahrt vielleicht 7 Sätze gewechselt haben, gibt sie mir vorm Aussteigen ihre Telefonnummer und meint ich soll mich melden, wenn ich etwas brauche in Tena. Und ich soll niemandem vertrauen. Gut, ihr zu vertrauen hab ich auch erst vor einer Stunde beschlossen.

Gegen 16:00 Uhr bin ich endlich in Tena. Brav niemandem vertrauend räume ich mal meine Sachen aus dem Bus, verstaue alle Pullis und Jacken irgendwo (davon hab ich zu viel mit) und schmiere mich mit Sonnencreme ein. Es ist HEISS. Der Bus nach Misahuallí fährt dort um die Ecke, bringe ich in Erfahrung und zum Einkaufen gibts auch was. Wie das so ist auf langen Busfahrten ernährt man sich eben mal den ganzen Tag von Brot, Bananen und Chips mit Zitrone. Deswegen gibts zum fürs Abendessen sehr abwechselungsreich… Brot und Bananenchips mit Zitrone. Und Avocados. Die Bushaltestelle ist schnell gefunden und die Ticketverkäuferin passt eine halbe Stunde auf meinen Rucksack auf, während ich eine Runde durch Tena drehe. Ich finde einen Fluss, noch ein paar Tiendas, viele Leute zum Quatschen… und fast nicht mehr zurück. Aber ich kenne mich selbst und meinen nicht vorhandenen Orientierungssinn gut genug, dass ich mir vorher selbst einen Standort per Whatsapp geschickt hab. Naja.

Im Bus ist es richtig heiss, ich kaufe richtig geilen Kokosnusssaft, von dem ich nur vielleicht eine Lebensmittelvergiftung bekomme. Aber er ist geil. Irgendwann zieht der Fahrtwind durch. Und viele Bäume und Flüsse am Fenster vorbei. In Misahualli brauche ich für die letzten 3 km zur Unterkunft noch ein Taxi. Der Taxifahrer ist nett, ich erzähle meinen üblichen Monolog über das Volontariat und er fragt mich gleich mal, ob ich einen Freund habe. Vielleicht sollte ich auf diese Frage in den nächsten Tagen lügen.

In der Unterkunft empfängt mich Scott, der Gastgeber. Mein Zimmer ist noch ein Stück kleiner als das in Mindo und supergemütlich. Nebenan wohnt ein deutsches Pärchen, mit dem ich mich gleich anfreunde. Reisen, Volontariat und Daheim sind immer gute Gesprächsthemen. Dann mache ich allein eine kleine Nachtwanderung zum Fluss. “Mach ruhig, aber pass auf die Schlangen auf”, sagt Scott. Die Sorge bleibt für heute unbegründet. Schlangen finde ich keine. Dafür hab ich einen Avocadobaum, Gummistiefel, eine Katze und Sterne gefunden. Am Himmel stehen tatsächlich drei Sternbilder, die ich gut kenne: Der große Wagen, der Orion und das Himmels-W. Und viel mehr braucht es dann auch nicht, um mich glücklich zu machen.

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