Eigentlich wollte ich mich heute um halb 8 in den Nationalpark aufmachen. Aber irgendwie komme ich nicht aus dem Bett. Dann halt gechillt. Frühstück bekomme ich in der Unterkunft, dann verquatsche ich mich ein bisschen mit dem kanadischen Paar von Nebenan. Ich merke erst jetzt, wie viel ich schon herumgekommen bin in Ecuador. Zu ihrer Reiseroute kann ich fast überall Tipps geben. Nehmt Wasser für Quilotoa mit!
So richtig ausgerüstet bin ich für meine Bergtour ja nicht. Das Strandtuch wird kurzerhand zum Schal umfunktioniert. Handschuhe und Haube hab ich gestern noch aufgetrieben. Die Frage des Tages: Passt die Jogginghose unter die Wanderhose? Geht sich aus, wie eine Nordpolfahrerin verlasse ich das Haus. Man weiß ja nie.
Den Bus an der Panamericana erwische ich schnell, auch wenn ich dafür mal kurz die Autobahn überqueren muss. Geht auch irgendwie. Der Bus schmeisst mich beim Parkeingang raus, wo ich meine Kälteausrüstung erst mal für übertrieben befinde. Jogginghose aus, Jacke in den Rucksack gestopft.
Jetzt geht’s daran, eine Gruppe zu suchen. Ich hatte zwar kurz angedacht, sonst einfach auf eigene Faust loszuwandern, aber rückblickend und die Größe des Parks kennend machen die Guides mit ihren Pick ups schon Sinn.
30 Dollar will der Herr. Das ist schon besser wird als die 70 von gestern. Aber super immer noch nicht. Jemand nimmt mich von der Haltestelle zur Kontrollstelle des Parks mit. Dort finde ich die Gruppe, die ich eh vorher schon ins Auge gefasst hab. Ob ich mich dazuschmeissen kann? Jetzt, ohne die Konkurrenz der anderen Pick up Fahrer daneben, ist das kein Problem.
Helen und Zoe sind aus Deutschland, Santiago aus Mexiko. Unsere Führerin heißt Maria und ist die erste weibliche Guia, die ich hier treffe. Also alle schnell auf die Ladefläche des Pickups, irgendwie zwischen die Fahrräder, die auch mitfahren.
Wir fahren los, durch eine Graslandschaft, es holpert und wir lachen. Irgendwann verändert sich die Landschaft, es wird steinig und es liegt Schnee. Schnee, Santiago! Wir fahren in den Wolkennebel, dabei würden wir eigentlich lieber die umliegenen Vulkane sehen. Aber nix da, wir sehen erst mal nichts. Außer die Schotterstraße und viel weiß.
Am Parkplatz macht Maria halt und erklärt, wir können jetzt auf eigene Faust zum ersten Refugio, zur Schutzhütte, hochwandern. Sie wartet hier auf uns. Der Aufsteig beinhaltet schon mal viel Schnee. Und man sieht weiterhin nicht weiter als 5m. Aber das ist uns relativ egal, hinauf wollen wir. Das atmen fällt schwer, Pausen sind angesagt. Aber es ist nicht so schlimm wie am Rucu Pichincha im Oktober. Außerdem weiß ich mittlerweile, dass Zuckerl und Nüsse helfen sollen. Gut damit ausgerüstet gehts also immer ein Stückchen weiter. Und bei den Pausen kann man ja noch im Schnee spielen. Über die spontan gekauften Handschuhe bin ich jetzt sehr froh.
Dann taucht auch schon die Schutzhütte auf. Yess. Wir machen Fotos, wärmen uns auf und trinken heiße Schokolade. Die ist mit 2.5 Dollar echt nicht so teuer wie erwartet hier. 4864m ist das Refugio hoch. Aber da würds noch weiter gehen Richtung Gletscher des Cotopaxi. Nicht so zu empfehlen, sagen die anderen Wander_innen, viel Schnee und man sieht nix. Versuchen wollen wirs trotzdem, zumindest ein Stück. Santiago hat genug von der Kälte und bleibt in der Hütte. Wir Mädels schmeissen uns nochmals in den Schnee. Wortwörtlich, denn lange auf den Beinen bleiben wir nicht. Aber egal. Nach 5 Minuten wandern treffen wir eine andere Gruppe aus der Schweiz. Es ist wirklich lustig, dass man hier am Cotopaxi so viele Deutsche, Österreicher_innen und Schweizer_innen findet. Wir wanderwütigen Völkchen eben. Auf jeden Fall meint die Truppe in schönem schweizer Akzent, dass der Weg ganz ok ist, aber bis zum Gletscher dauert es eine Stunde. So viel Zeit haben wir nicht mehr. Und die ganz passende Ausrüstung vielleicht auch nicht, verglichen mit den anderen. Aber dafür haben wir umso mehr Abenteuerlust. Bis aus 5000 wollen wir kommen, beschließen wir. Die Handyapp zählt mit. Wir kämpfen uns also voran, mal gegen unsere Lungen, mal gegen den Schnee. Langsam. 4900. Geht’s mit hochrennen besser? Ein bisschen. Pause. 4940m. Noch 60. Der Kopf tut weh, die Füße werden langsam nass. Wir stapfen fast knietief durch den Schnee. Um uns herum immer noch viel weiß, Schnee und Nebel. 4960. Bei dem Stein dort könnte es sein. Es geht steil bergauf, aber das hilft uns eigentlich bei unserem Plan. Noch ein bisschen weiter, das Handy checken. Ein paar Schritte, stop. 5000 sagt die App. Wir habens geschafft. Schwer schnaufend und überglücklich. Dann werden Fotos gemacht und im Schnee gespielt.
Runter kommen wir eher rutschend. Mal im Stehen, mal halt irgendwie. Aber runter gehts immer. Sehr ihr eh noch den Weg? Jaja, da ist schon die Hütte. So weit wars ja dann garnicht, wenn mans runter geht. Santi wartet schon und es geht rutschend weiter. Erst im Stehen, dann einfach am Popo. Weil wir sowieso alle 2 Minuten hinfallen und am Popo im Schnee landen. Kann man auch gleich sitzen bleiben. Meine Wanderhose überlebts und ich liebe sie dafür. Die hat echt schon viel mitgemacht mit mir. Eine Runde aufstehen, da sind Steine. Kann man da jetzt gehen? Plumps, ich sitze wieder auf dem Po. Naja. Aber macht Spaß das ganze. Rutschend und rennend kommen wir irgendwie am Parkplatz an.
Maria ist nicht sonderlich begeistert, dass wir so spät kommen. Aber der Aufstieg inklusive versuchter Gletschererklimmung hat halt seine Seit gedauert. Etwas mehr als 3h waren wir unterwegs. Weiter geht’s, es ist schon spät. Dankend nehmen wir diesmal das Angebot an, im Auto mitzufahren statt auf der Ladefläche. Weiter gehts zu einer wunderschönen Lagune. Sie ist, anders als viele Lagunen in Ecuador, nicht vulkanischen Ursprungs, sondern mit Gletscherwasser gefüllt. Weiter gehts dann zum Museum mit Shop. Für das Museum ist leider keine Zeit, aber wir versinken in den Postkarten. Die findet man in Ecuador selten, weil es keine Post gibt. Darüber muss ich auch meine Mitreisenden erst mal aufklären. Aber ich verwende Postkarten auch eher zum an die Wand hängen. Hier finde ich genug. Vom Cotopaxi, von der Amazonía… ich glaube ich muss hier auf alle Postkarten auch draufschreiben wo ich sie gekauft habe. Das ist nämlich meistens ganz weit weg vom eigentlichen Ort, hahaha.
Wow, hören wir Santi von draußen schreien. Die Wolken reißen auf, dahinter taucht der schneebedeckte Vulkan Cotopaxi auf. Da oben waren wir irgendwo. Jetzt würde man wahrscheinlich weiter sehen. Zum Schluss doch noch Sicht. Imposant erhebt sich der Berg über die Grslandschaft. Foto!!!!
Zum Fotomachen eignen sich auch die künstlichen Alpakas, die aus unerfindlichen Gründen hier im Hof herumstehen. Mir nichts dir nichts sitze ich drauf. Santi fängt den Moment ein. Das Spielzeug-Alpaka, hinter mir der Vulkan, der sich uns erst seit 5 Minuten zeigt, im Kopf die schönsten Momente des Tages, im Gesicht ein riesiges Grinsen. Ich glaub man siehts auf den Fotos.
Wir fahren wieder hinten mit, ich stehe neben Santi und halte mich an den Stangen fest. Der Fahrtwind bläst, die Graslandschaft des Nationalparks zieht vorbei. Der Pickup fährt eine Kurve und auf einmal taucht hinter den Sträuchern der Cotopaxi auf. Die Wolken sind noch ein bisschen weggezogen und bedecken nur noch den oberen Teil es Vulkans. Majestätisch erhebt er sich über der Landschaft. Aber nur kurz, schon ist er hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden. Handys raus, Fotos machen! Das erweist sich auf der Ladefläche eines fahrenden Pickups als schwieriger als gedacht. Ich gebe es jedenfalls irgendwann auf, weil sonst entweder mein Handy oder ich oder beide von der Ladenfläche fallen. Denn Maria gast an.
Ich stehe eine Weile mit Blick nach hinten, mit den Händen fest die Stangen und meine Sonnebrille umklammert. Der Fahrtwind pfeift um die Ohren, mein Blick ist auf den Cotopaxi gerichtet. Wie hoch er wohl wirklich ist? 5897m sagt das Internet. Unvorstellbar. Der Gipfel ist immer noch in den Wolken versteckt. Dort hat sich den Tag über der ganze Berg versteckt. Erst jetzt offenbart er uns seine Schönheit. Nachdem wir ihn erklommen haben, die ganze Zeit keine 20m weit gesehen haben. Als Abschiedsgeschenk steht er nun da. Foto machen. Ach nein, dann muss ich die Hand von der Stange nehmen. Manche Sachen muss man mit den Augen einfangen.
Den Blick wieder nach vorne gerichtet sitze ich auf dem Pickup. Vorbei ziehen Weiden, Pferde, Kühe, Wald. Eine Grasbewachsene Schlucht. Dahinter der Berg. Es treibt mir die Tränen in die Augen. Sicher nur der Fahrtwind. Oder auch ein bisschen die Freude über diese wunderschöne Landschaft und den tollen Tag.
Beim Parkausgang ein letzer Blick auf den Cotopaxi. Wir halten, ich bekomme mein Foto. An der Bushaltestelle folgt ein schneller Abschied von der heutigen Truppe. Sie müssen Richtung Latacunga, ich zurück nach Machachi. Wir bedanken uns bei Maria und ich zahle 15 Dollar. Dafür, dass der Tag anfangs 70 gekostet hätte ein echt guter Deal.
Zurück in Machachi merke ich, wie ko ich eigentlich bin. Die Füße werden schwer, der Kopf tut weh von der Höhe. In einem ecuadorianschen McDonalds-Äquivalent nehme ich mir was zum Essen mit. In der Unterkunft gehts aber erst mal ins Bett, sagt mein Körper.Nagut. Nach einem kleinen Powernap gehts aber wieder besser. Darf ich im Bett essen? Ja, beschließe ich, denn überall anders ist es kalt. Und außerdem bin ich allein, da darf ich so ca. alles.
Das Kopfweh wird irgendwann besser. Diego, mein Host, bringt das Frühstück zum mitnehmen für morgen vorbei. Und heizt den Kamin an, damit ich die nassen Wanderschuhe trocknen kann. Wie mein Tag war? Ich erzähle vom Aufstieg, vom Nebel, vom Pickup, vom Fahrtwind. Diego lächelt. Er ist ein erfahrener Bergführer und kennt den Cotopaxi gut. Von 5 Aufstiegen hat man 3x solches Wetter, lacht er. Na dann ist das ja nichts außergewöhnliches. Irgendwann sind die Schuhe trocken. Und nicht geschmolzen. Jetzt gehts endgültig ins Bett.