Es wäre ja nicht Mindo, wenn auch nur für 3 Wochen ein Stein auf dem anderen bleiben würde, Jetzt ist gerade wieder Abschiedszeit. Sisi reist weiter nach Peru. Jonas verbringt ein paar Wochen in Deutschland. Maja kommt übers Wochenende und fährt wieder. Donna gleich mit. Von unserem Kater mussten wir uns auch verabschieden. Dafür haben wir Sterne gesehen. Richtig viele, zum ersten Mal hier in Mindo.

“Warum hat sich denn jemand verabschiedet?”, fragen mich die Kinder in der Schlange fürs Mittagessen. Die finden das genauso verwirrend wie ich. “Jonas kommt wieder, er ist nur eine Weile in Deutschland.” “Aber es hat sich doch Maja auch verabschiedet, kommt die wieder?” “Ja, aber nur zu Besuch.” “Und du?” Die Frage der Fragen. Mein eigener Abschied rückt auch immer näher, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Von den Kindern werde ich mich auch verabschieden. Und wahrscheinlich werden sie fragen, warum. Warum hier alle kommen und gehen, mal für kurz, mal für länger, mal für immer. Ja, Kinder, ich weiß es auch nicht.

Jonas hastet den Weg zum Tor hinunter, er ist spät dran wie fast alle, wenn sie sich verabschieden. Wir singen ihm vom Comedor aus theatralische Abschiedslieder hinterher und kichern. Er kommt ja bald wieder. Und doch bringt es mich zum Nachdenken, denn Jonas kann genau wie ich über den großen Teich fliegen, dort eine Weile bleiben, wieder kommen. Ein Privileg, das die meisten unserer Kolleg_innen hier nicht haben, meine Freund_innen oder die Kinder auch nicht. Und obwohl diese Europa-Südamerika-Ambivalenz im Alltag selten Thema ist – wir verstehen uns als interkulturelles Team sehr gut – in solchen Momenten fällt sie auf. Und geht dann doch wieder unter, in fröhlichem Gesinge und den Gedanken, was wir alles anstellen werden, wenn der Chef nicht da ist. In meinem Kopf bleibt sie, die Ambivalenz zwischen Europäer_innen und Leuten mit einer Staatsbürgerschaft aus Lateinamerika.

Die nächste, die geht, ist Sisi. Die verabschieden wir mit einer Yumbos-Brownie-Backaktion. Das Rezept haben wir letztens gecheckt, inklusive Tipps vom Ober-Brownie-Bäcker. Und so machen wir eben zu viert Marcelitas Küche unsicher mit viel Butter und Zucker und Diskussionen übers Wasserbad. Aber am Schluss kommen geile Brownies dabei raus. Und Vanilleeis muss her. Das ist schon eine gelungene Abschiedsfeier.

Romeo, unser alter kranker Kater, hat sich auch verabschiedet. Aber der für immer. Wir haben uns das eh schon so gedacht, weil er die letzten Tage parout nichts mehr fressen wollte. Dann gings ihm schlechter, dann wieder besser. Mit vielen Kuscheleinheiten und Medikamenten haben wir ihn noch versorgt. Auch in meinem Bett hat er schlafen dürfen, obwohl er wieder reingepinkelt hat. Und letzte Nacht hat er sich dann in den Katzenhimmel verabschiedet. Und, wie mir später auffällt, hat er sich als Datum Christi Himmelfahrt ausgesucht. Wenn das kein Zufall ist. Wir Katzeneltern sind sad, aber es war nicht anders zu erwarten. Und trotzdem sind wir froh, dass er uns noch beehrt hat, der wilde Kater, der auf seine letzten Tage so kuschelbedürftig geworden ist. Und der einzige Kater ist den ich kenne, der jemals aus einer Disko rausgeflogen ist. Wir haben ihn gemeinsam im Garten begraben. Mit schöner Abschiedsstimmung, einer Kerze und doch ein paar Tränen. Aber er hatte schöne letzte Tage bei uns. Die anderen drei Katzen spüren auch, dass irgendwas anders ist. Sie kommen auch alle zum Grab, sich verabschieden. Rosalía steckt die Nase in die Kerzenflamme und lernt so, dass diese heiß ist. Tja.

Dann sitzen wir am Dach und beobachten den Abschiedssternehimmel. Felix hat ihn entdeckt und alle hinauf beordert. Und es ist wirklich der schönste Sternenhimmel, den ich in Mindo je gesehen habe. Normalerweise sieht man gar nichts, weil Wolken. Heute schon. Der Himmel macht uns ein Geschenk. Das Dach unter mir ist noch leicht feucht, ich liege neben Felix und Sisi. Über uns glitzert und funkelt es dahin. So viele Sterne, dass ich nicht einmal ein Sternbild ausmachen kann. Wir quatschen übers Reisen und Heimkommen, über ein Wiedersehen in Deutschland uns Österreich. Das ist schon fix, da fällt auch der Abschied nicht so schwer. Ich sehe Sternschnuppen, einige mehr als alle anderen. Die meinen schon, ich schummle. Dafür trete ich ihnen ein paar Sternschnuppenwünsche ab. So viele habe ich nämlich gerade gar nicht. Ich wünsche nur allen, die gerade gehen, alles Gute auf der Weiterreise. Und viel mehr bleibt mir dann auch nicht. Ein letzter Drücker, ein genießt die Zeit, wir haben Sisi nach Hause gebracht. Also in ihr zu Hause da. Die Definition von zu Hause ist ja für uns alle ein bisschen weiter.

Und zurück in SALEM finden Felix und ich uns im Comedor wieder, sinnierend über unseren eigenen Abschied. 12 Wochenenden bleiben uns noch. Hört sich sehr wenig an. Was ich noch alles machen werde? Sicher nicht alles, was ich mir noch vorgenommen habe. Dafür reicht die Zeit nicht. Tut sie nie. Wie wohl das Ankommen daheim wird? Wie es danach weiter geht? Was mache ich mit meiner kleinen Katze? Große Fragen, die mich und uns umtreiben. Beantworten können wir sie nicht alle. Und so schauen wir den Katzen zu, die zu dieser späten Stunde beschlossen haben im Garten zu spielen. Sie spielen nachrennen, kugeln übereinander. Manchmal wäre ich schon gern eine Katze. Irgendwann tauchen Donna und Blake auf, die unerfolgreich auf der Suche nach einem Whirlpool waren. Für heute ists genug nachgedacht und verabschiedet, wir gehen schlafen.

Die Sterne haben sich auch verabschiedet, sind hinter den Wolken verschwunden. Wann sie wieder kommen werden? Wer weiß. Eigentlich sind sie ja immer da, nur sieht man sie in Mindo zu selten. So wie die Leute, die sich verabschieden. Sie sind eigentlich auch da, übers Handy erreichbar. Aber ich sehe sie nicht, zumindest nicht im richtigen Leben. Vielleicht im Videocall. Wann ich wen wieder in echt sehe steht eben in den Sternen.

Gerade eben haben wir Donna und Maja verabschiedet. Mit Yumbos-Brownies und undurchschaubaren Busfahrplänen. Und ich sitze wieder am Dach, meinem Nachdenk-und-Chillort. Es ist halbwegs ruhig und es scheint die Sonne. Aber die wird sich auch bald verabschieden und der Regen wird kommen. Denn wenn es eines gibt, auf das man sich in Mindo verlassen kann, dann ist das der Regen. Und, das nichts lange gleich bleibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert