“Wege” zum Wasserfallmeer

Sisi und ich wollten noch was Schönes unternehmen, bevor sie fährt. Irgendwo zwischen Arbeit und Reisevorbereitung wird es dann ein Samstagsausflug zu einem Wasserfall. Spoiler: Der schönste Wasserfall, den ich bis jetzt gesehen hab. Und ich hab schon echt viele Wasserfälle gesehen. abgesehn davon haben wir Birds gewatcht und sind nicht gestorben, nur ein bisschen nass geworden.

6 Uhr Tagwache. Ich treffe Blake in der Küche und wir fragen uns gegenseitig ob wir schon oder noch auf sind. Schrödinger will mal wieder nicht anspringen, aber da hilft Edwins Papa, der gerade vorbeikommt. los gehts.

Auf der Fahrt nach Los Bancos wunderschöne Morgenstimmung. Ich sollte öfter um die Zeit hier hochfahren. Die Sonne glänzt am Himmel, die Umrisse der Berge sieht man klar, der Nebelwald dampft noch ein bisschen. Wenige Wolken zieren den blauen Himmel. Es ist so klare Sicht, dass Sisi sogar den Pichincha findet. Dann auf einmal, dichter Nebel, man sieht keine 10 Meter weit. Der dauert aber auch nur ein paar hundert Meter, dahinter taucht wieder die Sonne auf. Verrücktes Wetter.

Wir halten in Milpe, hier hat Sisi in einem Naturprojekt gearbeitet. Wir essen Bananen, schauen Vögel, finden einen MotMot. Der ist strahlend türkis-gelb und vertreibt alle anderen Vögel. Dann wollen wir runter zum Fluss. Wo gehts denn jetzt lang? Wir stehen wieder an einer Abzweigung. Der “Weg” sieht nicht sonerlich vielversprechend aus. Egal, Kletterpartie.

Dann sind wir auch schon unten, ein seichter Fluss. Wunderschön fällt die Sonne ins Tal. Wir tauchen die Hände ins Wasser und nutzen den schönen Platz gleich ein bisschen zum dehnen, weil wir beide aus unterschiedlichen Gründen Muskelkater haben. Auf dem Rückweg sind wir auf der Suche nach besseren “Wegen”. Finden wir nicht ganz, dafür einen Erdrutsch. Rutscht der noch oder kann man klettern? Irgendwie gehts. Und siehe da, da ist schon wieder sowas wie ein Weg. Oder so. Meine Definition von Weg oder Straße hat sich in Ecuador ziemlich adaptiert.

Weiter gehts dann doch mit dem Moto und nicht zu Fuß – bis zum Wasserfall sinds noch 12km. Auf Schotter und Steinen gehts bergauf und bergab. Irgendwann endet der Weg an einem Tor. Wir rufen den Typen an, dessen Nummer auf dem Schild steht und dem der Wasserfall gehört. Hier gehört alles jemandem. Er sagt wir können weiterfahren, das Moto passt schon am Tor vorbei. Tut es nicht, aber egal. Wir gehen zu Fuß weiter und verstecken Helme so gut im Gebüsch, dass wir sie selbst nicht mehr sehen.

Zu Fuß durch den Wald, es ist immer noch warm. Die Gegend hier liegt ein bisschen tiefer als Mindo und das merkt man. Mehr Palmen säumen den Weg, die Luftfeuchtigkeit ist doch, die Sonne brennt vom Himmel. Da wächst Zuckerrohr. Das klauen ist so ein bisschen wie daheim Mais zu klauen. Sollen wir?

Irgendwann beim Abstieg setzt sich Sisi in Hierbaluisa (Zitronengras) und stellt fest, dass das ganz schön scharf ist. Es geht vorbei an Kühen über umgestürtze Bäume.Bald haben wir einen atemberaubenden Ausblick über en Fluss, im Hintergrund hört man shcon das Rauschen des Wasserfalls. Wir frühstücken ausgedehnt mit Cana und quatschen über das Reisen, gemeinsame Bekannte und Ayuhasca.

Dann der Absteig zum Wasserfall Tatalá. Auf dem Rutschigen “Weg” setzen wir uns öfter mal hin. Dann ist da ein Baum umgefallen. Mitten auf dem Weg. Baum, Klappe die zweite. Ein paar kleine Rinnsale, dann sieht man schon den Wasserfall. Er ist so hoch, wie ich noch keinen gesehen habe. Das Wasser stürzt laut tosend hinunter und formt ein Becken, das in Wirklichkeit ein See ist. Es hat locker einen Durchmesser von 20m. Wie tief das wohl ist? Ausprobieren? Schon klettern wir in Badeklamotten über die Steine. Gar nicht so einfach, denn einen richtigen Einstieg hat das Wasserfallbecken nicht. Wie kommen wir denn da jetzt runter? Und was tut das Seil da? Das Seil erweist sich nicht als hilfreich, aber irgendwann haben wirs ins Wasser geschafft.

Vorsichtig die Zehen ausgestreckt, nein, stehen kann ich hier nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, seit wie vielen Jahren das Wasser hier schon hinuntersaust, wie lang es gebraucht hat diesen See zu graben. Den Grund sieht man nicht, das Wasser ist trüb. Jetzt heißt es ordentlich schwimmen, denn der See ist eigentlich ein Meer. Ein Wasserfallmeer. Die ins Becken stürzenden Wassermassen lösen ordentliche Wellen aus. Ein paar kräftige Schwimmzüge, hier kann ich mich auf die Steine setzen. Sisi hat es auch schon her geschafft, gemeinsam sitzen wir in der Sonne, lassen die Beine in den Wellen wiegen. Dann wieder eine Runde schwimmen, wie lange halte ich den Wellen stand? Komme ich bis zum Stein dort?

Die Felswand ragt steil vor mir auf, in der Mitte der Wasserfall. Links und rechts kleine Wasserströme, es wachsen Bäume. Die Sonne fällt ins Tag, ein Regenbogen entsteht in der Luft. Die Schönheit des Ortes lässt sich nicht mit der Kamera einfangen. Falls die Leute von Avatar einen neuen Drehort suchen, hätte ich hier einen. Das Ganze ist nämlich so schön, dass es surreal wirkt. Die Umrisse der Berge sind zu scharf, das Wasser reflektiert, und das Grün der Bäume ist eigentlich zu grün, um echt zu sein. Aber ich träume nicht, ich bin wirklich hier und die Wellen unter mit tragen mich. Sie spielen mit mir, spritzen mir ins Gesicht, während ich die Schönheit der Natur genieße.

In der Mitte des Beckens ragt ein flacher Stein auf. Wir schwimmen hin. Gegen die Wellen. Das ist ein Meerjungfrauenstein. Hier könnte man tolle Fotos machen, sind wir uns einig. Aber die Kamera und die Handys liegen eben oben im Wald in würden sich bei einem Versuch auch schnell am Grund des Wasserfallmeers wiederfinden. Also lieber nicht. Manche Sachen muss man eben mit den Augen fotografieren. Und genießen. Ich sitze auf dem Stein, genieße die Sonne und den tosenden Wasserfall neben mir. Kalt ist mir nicht.

Irgendwann hat sichs dann aber doch ausgebadet, wie komme ich da jetzt wieder rauf? Zuerst mal durch den Fluss, der ist seicht. Und nach oben? Da war mal ein Weg. Wie auf allen “Wegen” liegt erst mal ein Baum im Weg. Und dann gibts jede Menge Felsen zum klettern. Ich glaube der Weg war mal schön. Betonung auf war. Sisi hat jedenfalls etwas zu lachen, als ich dreckig und ein bisschen zerkratzt und fluchend im Badeanzug neben ihr auftauche.

Wir setzen uns auf einen Baumstamm, packen die Chifles aus und führen gute Gespräche mit Ausblick auf die Avatar-Welt. Dann kommt die Subida, der Aufstieg. Vom Wasserfall müssen wir uns verabschieden. Das warme, fast tropische Klima setzt der Kondition ein bisschen zu. Trotzdem sind wir froh, dass wir so schönes Wetter erwischt haben. Also den ganzen “Weg” zurück, ach ja, da war ja ein Baum. Wir machen einen kurzen Stopp beim halb fertigen Haus, Sisi setzt sich diesmal nicht in Hierbaluisa. Dafür gibts vom Balkon einen schönen Ausblick. Noch schöner wäre der aber in die andere Richtung, sind wir uns einig.

Relativ schnell wieder bei der Mauer und beim Moto. Die Helme finden wir wieder und Schrödinger springt sogar bald an. Rauf runter gehts wieder über die Schotterwege. Das schöne Wetter liegt leider hinter uns, wir fahren auf eine Regenwand zu. Die Rückfahrt gestaltet sich dann leider nicht ganz so lustig, aber ich bestehe meine Feuerprobe als Motorradmechanikerin. Scheiss Kette. Aber, an Herausforderungen wächst man. Und nach Mindo kommt man auch im zweiten Gang und im Regen. Dauert nur etwas länger.

Demensprechend reiten wir etwas erschöpft und sehr nass eine halbe Stunde vor Donnas Konzert in SALEM ein. Aber das ist nicht so schlimm, denn sie und Felix sind auch noch da. Unter die Dusche, einmal tauschen von Mechanikerin zum Abend-Outfit – ein kurzer Krieg ums Badezimmer mit Blake – und schon gehts in den Zaguan. Dort erwarten mich nicht nur Donna und ihre Band, sondern auch der Großteil des SALEM-Teams und viele Freund_innen. Blake und ich gesellen uns zu Talis an die Bar und “helfen” ihm beim Arbeiten. Irgendwann taucht auch Edwin auf. Und so genießen wir das Beisammensein und Donnas Gesang, ärgern ein bisschen Felix, der der Social-Media-und-sonst-auch-alles-Beauftragte ist und trinken heiße Schokolade. Manche von Donnas Songs kommen schon direkt ans Herz. Ich mag ihre Musik. Und das sage ich nicht als Freundin, sondern auch als durchaus mal kritische Musikerin.

Es herrscht gemütliche Stimmung, ich geselle mich auch ein Weilchen zu Pame und Pao, erzähle allen von meinem heutigen Ausflug und dem Wasserfall und bekomme richtig viele Komplimente für mein Aussehen. Kommt davon, wenn ich einmal 5 Minuten in Make Up investiere, was ich sonst nie mache. Irgendwann hat sichs ausgespielt, Ideen für die After-Show-Party werden geboren. Ich lasse die andern überlegen und gehe währenddessen ins Bett. Sie dürfen mich aufwecken, wenn es einen Plan gibt.

Der verschlägt uns schließlich ins Queens. Dort warten wir nochmal eine halbe Stunde, weil Talis seinen Ausweis vergessen hat. Derweil unterhält uns Kater Romeo, der auch mal in die Disko will. Finden die Security Guards nicht so lustig. Donna und ich bringen ihn nach Hause. Und Romeo ist der einzige Kater, den ich kenne, der jemals aus einer Disko geflogen ist. Der Tag endet mit harten Tischflußball-Turniere, wieder Gin Tonic ohne Gin und Tonic und viel Tanzen. Spät gehts ins Bett, der Tag war lang. Er kommt mir vor wie ein ganzes Wochenende. Aber er war wunderschön.

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