Maja war zu Besuch und wir hatten jeden Menge Spaß. Sei das beim Schwimmen in Las Montañas, Lagerfeuer mit Schokobananen oder Empanadas. Und ich bin tatsächlich von der Klippe gesprungen.
Die Woche klingt mit einem Privatkonzert/Get-together im Tempel aus. Donna singt. Dann singen wir alle gemeinsam und beeindrucken den Rest mit “Über den Wolken”. Es gibt Schokobananen und drago und irgendwann tauchen auch Maja und Edwin auf. Sie ist nämlich in Santo Domingo hängen geblieben auf der Reise und deshalb hat es eeetwas länger gedauert. Zum Glück hat Edwin ein Motorrad. Mit dabei sind heute auch Blake und sein Bruder und ein Hund, der Spaghetti heißt. So haben sie ihn getauft, weil Blakes Mama ihm Spaghetti gegeben hat. Und seitdem folgt er ihnen überall hin.
Frühstück gibts für alle vereint in SALEM, Sebastian, ein Freund von Maja, ist noch gekommen, Pao hat auch Zeit. Und Spaghetti leistet uns Gesellschaft, obwohl Blake gar nicht da ist. In dieser Besetzung gehts nach Las Montañas de Mindo. Spaghetti kommt auch mit. Eigentlich wollten wir ihn im Dorf lassen, aber er beschließt uns nicht gehen zu lassen und rennt neben dem Auto her. Auf der Straße zu den Wasserfällen erbarmen wir uns schließlich und er darf mit auf die Ladefläche.
Den Wanderweg in Las Montañas kenne ich schon gut, bin hier ja erst letzte Woche herumspaziert. Aber alle Wege kenne ich dann doch nicht, wie Felix behauptet. Von einem Wasserfall gehts zum nächsten, beim letzten Mal sind die Füße hier noch trocken geblieben.
Später stehen wir vor einem riesigen Baumstamm. Edwin klettert natürlich hinauf. Und auf einmal stehen und sitzen wir alle oben. Inklusive Spaghetti-Hund, der nicht allein gelassen werden will. Der Baumstamm ist jetzt nämlich unser Dschungelschiff und wir rudern durch den Nebelwald. Felix packt die Drohne aus und wir haben Spaß. Der einzige, der nicht so viel Spaß hat ist der Hund. Ach a la carbonara.
Weiter gehts zum Bad der Sirenen, das ist eigentlich gesperrt. Aber wir habe beschlossen, mal Edwin reinzuwerfen und zu schauen wies geht. Geht gut. Alle springen irgendwie rein. Alle? Nein, ich stehe auf der Klippe, die mir im September schon so viel Angst gemacht hat. Ich fahre nicht nach Hause, bevor ich nicht von dieser Klippe gesprungen bin. Vielleicht ist heute der Tag.
Zuerst gibts aber eine große Hunde-Rettungsaktion: Spaghetti ist ganz nervös, dass wir uns alle vom Fluss treiben lassen. Das sieht anscheinend sehr gefährlich aus. Also will er uns retten. Das endet aber damit, das eher wir ihn retten, denn Hund und Flussströmung vertragen sich dann doch nicht so gut. Hund ist also pudelnass und ein bisschen verwirrt wieder im Trockenen. Also gehts wieder ans Springen. Und ich stehe und stehe. Und stehe.
Aber wozu hat man Freunde. Irgendwann stehe ich mit Edwin Hand in Hand vorne an der Klippe. Auf drei. La sangre de cristo tiene poder. Eins, zwei, drei… ich schließe die Augen, stoße mich ab, neben mir schreit Edwin. Ich schreie nicht, mir bleibt ein bisschen die Luft weg. Das Wasser schlägt über meinem Kopf zusammen, Jubelgeschei, als wir auftauchen. Jetzt schreie ich und alle anderen schreien mit mir. Ich bin gesprungen. Von der Klippe in den Fluss. Und dort bin ich glücklich zwischen Wasser und Strömung und Steinen. Blubbernd gehts schnell mit der Strömung mit, am Seil hochziehen, hochklettern, nochmal. Eins, zwei, drei, Edwins Hand zieht an meiner. Spring.
Irgendwann haben alle anderen genug vom Fluss. Ich nicht, ich habe nie genug vom Fluss. So sitze ich auf meinem Stein und lasse mich weiter treiben. Das Problem ist halt, jetzt springt keiner mit mir. Allen ist kalt oder sie sind schon trocken oder am anziehen. Ich will aber nochmal in den Fluss. Unschlüssig stehe ich an der Klippe. “Springst du?” Pao steht neben mir. Sie ist neben Vermieterin und Partyveranstalterin auch einfach eine geile Socke und Beraterin für alle möglichen Lebensfragen. “Ängste sind zum Überwinden da, dann werden sie kleiner”, ist ihr heutiger Lebensrat. Das weiß ich ja eigentlich auch. Aber die Überwindung kostet halt manchmal.
Keine Ahnung wie, aber irgendwie habe ich mich abgestoßen. Die Luft bleibt mir weg, trotzdem kommt irgendwie ein Schrei aus meinem Mund. Das kalte Wasser, das Auftauchen. Der Fluss, mein natürliches Habitat. Dort fühle ich mich wieder sicher. Die Sonne steht am Himmel, neben mir ragt der Wald in die Höhe. Und ich habe sie überwunden, die Angst, die ich seit September bezwingen will. Ich habe in meiner Zeit hier schon viel gelernt, viele Ängste überwunden, viel geschafft. Aber dass hier ist messbar. Messbar an einem Sprung, daran, dass ich jetzt im Fluss bin. Ich habs geschafft.
Dann gehts auch schon wieder auf den Rückweg. Wir sitzen noch ewig oben im Restaurant, beobachten Vögel und spielen. Es fängt an zu regnen, wir rufen ein Taxi. Bei strömendem Regen auf der Ladefläche mitfahren, ist nicht so lustig. Die Burschen und der Hund erbarmen sich. Und auf einmal fliegt ein Knödel an Jacken und T-Shirts beim Fenster herein. Alles ausziehen, was nicht nass werden soll, ist mittlerweile die Taktik.
Der Abend klingt bei selbstgemachten Empanadas und gemütlichem Beisammensein in SALEM aus.