Ein Manifest gegen die ultimative Katzenvermissung und die Veröffentlichung von schönen Erinnerungen. 02.09.2022

Schnurr, schnurr. Die kleine Katze kämpft mit dem Laptop um den Platz auf meinem Schoß. Mittlerweile ist sie so groß geworden, dass das knapp wird. Halb auf der Tastatur schläft sie schnurrend ein.

Die kleine dreifärbige Katze kennen mittlerweile alle, die regelmäßig mit mir telefonieren oder meine Instagram-Storys schauen. Denn sie telefoniert auch gerne und ist ein Insta-Star. Sie ist mein Baby, meine emotionale Stütze, meine Kuschelkatze, meine Mitbewohnerin, mein Alles. Und doch wird sie hier bleiben, wenn ich gehe. Weil sie hier hingehört und ich eben nicht. Zumindest nicht für immer.

Im Jänner ist auf einmal ein kleines, schreiendes Katzenbaby vor dem SALEM-Tor gesessen. Dünn, zerrupft, hungrig und mehr Flöhe als Katze. Trotzdem hab ich mich verliebt, vom ersten Moment an. Der von Jonas schon gestartete Katzenadoptionsprozess wurde schnell unterbunden und spätestens als sie ein paar Tage später in mein Geburtstagsgeschenksackerl gehüpft ist war die kleine Katze meine Weggefährtin. Beim Mittagessen schnell mal auf den Namen Rosalía getauft, warum weiß ich nicht mehr. Die erste Zeit wurde sie sowieso eher Flohhaufen oder Knödel gerufen. Oder Frau Niellson, weil ihr Platz auf meiner Schulter war, wo ich auch hingegangen bin. Im Büro hat sie auf meiner Schoß geschlafen, am Nachmittag hab ich sie anfangs in mein Zimmer verbannt – zum Schutz vor den Kindern. Die haben sie aber schnell fast genauso lieb gewonnen wie ich. “Dürfen wir die Katze sehen?” Große Kinderaugen.

Bei meinem Geburtstagszelten mit Lagerfeuer war sie dabei, als wir wenig später an den Strand gefahren sind hat Cynthia sie als Katzenomi in Betreuung genommen. Dort hat sie sich fast mit dem Kater geprügelt, und sich von Cynthia verwöhnen lassen. Sie hat schon damals gemeint, dass ich die intelligenteste kleine Katze der Welt habe.

Im Februar war ich zwei Wochen weg und sie ist gefühlt einen Meter gewachsen. Kuschelbedürftig und laut mauzend hat sie alle Herzen im Sturm erobert. Und Bananenchips gefressen.

Sie war für mich da, als es mir nicht gut gegangen ist. Hat mich mein Heimweh in ihr Fell heulen lassen und dabei geschnurrt und dann irgendwann ihre kleine Pfote auf meine Wange gelegt, um die Tränen zu trocknen. Und es hat gewirkt. “Eine Katze kann dich heilen,” hat eine Kollegin mal gesagt. Und es stimmt. Wann immer ich traurig, verzweifelt oder wütend war musste Rosalía her. Allein ihre Anwesenheit und ihr unaufhörliches Schnurren haben meist schon geholfen. Wenn ich Regelschmerzen hatte, hat sie sich schnurrend auf meinen Bauch gelegt als natürliche Wärmeflasche. Wenn ich krank war, ist sie 3x am Tag laut mauzend vor meiner Tür gestanden, um zu sehen wie es mir geht. Oder auch einfach nur, um zu sehen ob sie Futter bekommt. Ich weiß es nicht.

Irgendwann ist sie ins Spielalter gekommen und hat mangels Spielzeug mit meiner Hand gekämpft. Die sie dann auch mehrmals erlegt hat, den Narben zu urteilen. Eine kleine Katze hat ihre Krallen halt noch nicht immer im Griff, uns so waren zeitweise meine Hände, meine Schulter und mein Gesicht voller liebesbedürftig zugefügter Kratzer. Böse war ich ihr nie. Wer kann denn auch einem kleinen Fellknäul böse sein, dass zusammengerollt und schnurrend auf meiner Decke liegt?

Rosalía und ich sind zusammengewachsen in dem Jahr. Ich war für sie da, als sie als halb verhungertes kleines Kätzchen Hilfe gebracht hat. Sie war für mich da, als ich allein war und emotionalen Beistand gebraucht hab. Mami und Tochter, ein tolles Team und vor allem unzertrennlich. Schon früh hat sich die Frage gestellt, was ich mit ihr nach diesem Jahr mache. Mitnehmen in mein Leben in Österreich? Lang habe ich recherchiert, Tierärzt_innen kontaktiert, bin sogar samt Katze nach Quito gefahren. Habe alle wahnsinnig gemacht, weil ich von nichts mehr anderem geredet habe, als dieser Katzenentscheidung. Warum? Weil die in Wirklichkeit über die Katze hinausgeht und ganz andere Lebensfragen aufmacht. Bin ich bereit, Verantwortung zu übernehmen? Werde ich an einem festen Wohnsitz bleiben? Wird es mich wieder in die Welt hinaus ziehen?

Im Endeffekt wird Rosalía hier bleiben. Bei den Bäumen und dem Garten, den sie so sehr liebt und ihren Katzenschwestern. Und ich werde nach Wien gehen, dort mal Verantwortung für mich und meine Wohnung übernehmen, das reicht mal, und dann wird es mich sicher bald wieder in die Welt hinausziehen. Denn in einem sind die kleine Katze und ich uns sehr einig: Wir sind neugierig, wollen alles ausprobieren und haben einen großen Dickschädel, mit dem wir alles durchsetzen. Genau aufgrund dessen bin ich mir auch sicher, dass sie es gut haben wird hier. Als kleinste im Rudel hat sie sich schon an den besten Fressplatz gekämpft und in die Herzen der Kinder und des Teams. Außer Jonas, der würde sie am liebsten immer noch herschenken. Aber wahrscheinlich eher um mich zu ärgern.

Rosalía muss zum Tierarzt, poppt die Benachrichtigung auf meinem Handy auf. Eine Weitere Untersuchung, die notwendig wäre für die Reise nach Europa. Nein, muss sie nicht. Sie schläft gerade seelenruhig am Vogelfutterbrett.

“Kätzchen!”, der kleine Junge nimmt sie hoch und herzt sie. Bei ihm und seiner Schwester, hat Rosalía gewohnt, bevor sie ausgesetzt wurde. Das habe ich ein paar Tage später herausgefunden. Sie haben sie sehr vermisst. Aber irgendwann, nach ein paar Wochen hat mir der Kleine die Katze in die Hand gedrückt und mir ins Ohr geflüstert “Ich schenke sie dir.”. Da hat sie ohnehin schon eine Zeit in SALEM gewohnt, aber seinen Segen hatte ich dann auch.

Fast jeden Tag kommen die beiden zu mir, erkundigen sich nach der Katze und kuscheln sie. Ganz am Anfang, als sie noch klein war, und auch jetzt. Rosalía springt auf den Boden, sie will nicht mehr gekuschelt werden. Ich nehme den Kleinen beiseite. “Weißt du, ich fahre im August, das ist bald, zurück nach Österreich.” Große Kinderaugen schauen mich an. “Aber Rosalia bleibt hier bei euch. Und wenn du dann kommst, kuschelst du sie von mir mit?” Er schaut mich an und nickt. “Klar, ich kümmere mich um sie.” Dann hüpf er davon, durch den Comedor und durch den Spalt, wo man eigentlich nicht durchhüpfen darf. Und wenig später finde ich die Katze inmitten von Kindern, wo sie beinahe überbekuschelt wird. Und mein Herz wird ein bisschen leichter.

Irgendwann ist sie dann erwachsen bzw. hochpubertär geworden und hat sich gleich zwei Katerfreunde gecheckt. Mami war nicht sonderlich glücklich, denn mit Baby-Rosalias wären einige Probleme einhergegangen. Und das sterilisieren hat sich dann auch noch ewig nach hinten verschoben, weil der Tierarzt wegen dem Streik nicht kommen konnte. Eines löst das andere aus. Aber nach ein paar Wochen bangen hatte ich dann eine sterilisierte, ziemlich grantig-narkotisierte Katze, die jetzt auch nach Herzenslust mit ihren Katerfreunden spielen darf.

Untertags findet man Rosalía und Michu meist vor dem espacio der Jugendlichen. Irgendwo zwischen den Schuhen in der Sonne, manchmal auch schlafend auf der Fußmatte, dass man super drüberfällt. Butterbrot macht stattdessen schreiend das Büro unsicher, will alle vom arbeiten abhalten und macht jede Besprechung unmöglich, weil sie auch unbedingt datan teilnehmen will. Fester Bestandteil des Social Media Teams ist sie ja mittlerweile.

Die Katze ist das, was ich am meisten vermisse, seit ich bei Sule wohne. Und sie mich anscheinend auch, denn als ich letztens wieder in SALEM geschlafen hab hat sie mich halb tot gekuschelt, die ganze Nacht.

Ich werde sie weiter vermissen. Dass sie mir entgegenläuft, sobald ich beim Tor von SALEM hereinkomme und den steinigen Weg hochgehe. Dass sie sich auf meine Schulter setzt, obwohl sie eigentlich schon viel zu groß dafür ist. Ihr schnurren neben meinem Ohr, wenn sie wieder einmal meinen Kopfpolster für sich reklamiert hat. Ihr lautes Mauzen und Kratzen in der Früh, wenn sie aus dem Zimmer will. Ein noch lauteres Kratzen und Mauzen wenn ihr niemand Futter gibt und ich noch schlafe. Der unschuldige Blick, wenn sie auf dem Tisch sitzt und mein Essen klauen will. Und der zufriedene, wenn sies es geschafft hat ein Stück Avocado zu fressen oder das letzte Joghurt aus meinem Müsliteller zu schlecken. Wenn sie während der Morgenbesprechung so laut mit Michu rauft, dass man sein eigenes Wort nicht versteht. Oder wenn die beiden am Abend unter dem Küchentisch raufen, obwohl ich sie schon 2x aus der Küche geworden habe. Ich weiß auch nicht, warum unter dem Küchentisch der beste Ort zum raufen ist.

Wenn ich schlafen gehen will, liegt die kleine Katze entweder schon schnurren neben mir, oder ich drehe eine Runde. “Habt ihr meine Katze gesehen?” An diese allabendliche Frage haben sich meine Mitbewohner_innen schon gewöhnt. Meist finde ich sie dann irgendwo im Gruppenraum der Kleinen oder sie läuft mir entgegen. Und wenn sie gar nicht aufzufinden ist, schläft sie wahrscheinlich unentdeckt in der Küche auf den Eierkartons. Manchmal glaubt sie anscheinend, sie ist ein Huhn.

Dann kuschelt sie sich an mich, schnurrt und gibt so viel Liebe wie ein kleines schnurrendes Fellknäuel nur geben kann. Mal wird meine Hand abgeleckt und dann mein Gesicht und wenn dann auch sicher alles sauber ist, legt sie ihre Pfote auf meine Wange und wir können wir schlafen gehen. Schnurr.

Lange ist das nicht mehr. Denn die kleine Katze gehört nach SALEM und ich nicht. Aber bis zum Abschied werde ich den Schmerz wegkuscheln und wenn es notwendig ist, in ihr Fell heulen. So wie wir immer für einander da waren, die kleine Katze und ich. Und wenn ich gehe, werden andere liebe Leute kommen. Die werden auf Rosalía aufpassen und Rosalía auf sie. Denn Freiwilligeneinsatz ohne Katze – für mich undenkbar. Wenn man so weit weg ist von daheim braucht man manchmal nichts mehr als eine Katze, die schreiend in dein Zimmer kommt, aufs Bett hüpft, sich in deinen Arm legt und schnurrt. Denn dann ist alles wieder gut.

Rosalía legt ihren Kopf und ihre Pfoten auf meinen Arm. Hör auf, am Laptop zu tippen Mami. Will kuscheln. Und das mache ich auch, solange ich noch kann.

Rosalía ist in Mindo und ich bin hier. Meine Kolleg_innen haben versprochen, mir öfter Bilder zu schicken und das tun sie auch. Rosalía mauzend im Regen, in einer Kiste, beim Fressen. Die neuen Freiwilligen versorgen sie erfolgreich mit Avocado und kuscheln sie. Ich glaube es geht ihr gut, dort wo sie ist. In Gedanken ist sie immer noch meine kleine Katze. Und vielleicht denkt sie ja auch manchmal an mich. Und schnurrt.

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