Mein Arbeitstag beginnt um 7:15 Uhr. Das ist so, weil die Schule den Stundenplan von den Kindern umgestellt hat. Die fangen jetzt tageweise um 7:30 an mit dem Online-Unterricht. Und weil die meisten daheim keinen Computer oder Internet haben, fange ich also auch so früh an. Dafür kann ich früher aufhören, ist auch angenehm.
Ich sitze also leicht verschlafen, mit Kaffee, Katze und drei Kindern da. Den Vogel schießt der Lehrer ab, der verschläft nämlich einfach und taucht nicht auf. Aber Hauptsache um 7:30 Unterricht machen wollen. Wir widmen uns also den Hausübungen. Einer meiner Schützlinge soll Gleichungssysteme lösen. Ich lege ihm zuerst eine einfache Gleichung hin und bei wie vielen anderen Kindern hakt es schon daran. Keine Ahnung, ob das in der Schule nicht gut erklärt wird oder sies einfach nicht machen. Ich versuche mich also als Mathelehrerin. Ohne großen Erfolg, irgendwie ist das ein bisschen kompliziert mit x-en und Zahlen und zwei Seiten. Hm. Aber Felix hat da ja so eine coole Gleichungswaage gebastelt. Die hole ich also aus dem Gruppenraum. Als ich wiederkomme, finde ich Kinder und Katze spielend am Boden vor. Sie haben ja recht, würde ich auch lieber machen, als Gleichungen lösen. Das funktioniert dafür mit der Waage im Nu. Wenn man es angreifen kann ist das ja gar nicht so kompliziert. Wir machen einige Übungen gemeinsam, dann gehts allein. Es lebe Montessori.
Der frühe Beginn hat sich auch insofern ausgezahlt, als das um halb 10 alle fertig sind mit den Hausübungen und auf Spaziergang mitgehen. Und weil ich dann irgendwie nix mehr zu tun hab, kann ich ungeplanter Weise auch mitgehen. Wir nehmen den Weg auf den Berg, den Edwin uns am ersten Wochenende gezeigt hat. Silvana und Felix gehen voran, Pamela und ich machen den Schluss. Dazwischen die Kinder. Rechts ran, ein Auto kommt! Ein bisschen Ähnlichkeit mit einem Schulausflug daheim hat das Ganze. Keinen Schritt gehen sie mehr, das beschließen die ersten schon nach einer Viertelstunde. Mit viel Überreden schaffen es dann doch alle. Einen Hund haben wir auch mit, der gehört einem Kind und möchte nicht daheim bleiben. Nagut. Mir macht der Aufstieg heute fast nichts aus, anscheinend hat sich das Pichincha-Training ausgezahlt.
Oben wird gegessen, wir haben Brot und Orangen mit. Die Sonne brennt vom Himmel. Die Kinder toben herum. “Dürfen sie auf die Bäume klettern?”, frage ich sicherheitshalber nach. “Claro,” sagen die Kolleginnen. “Die sind schon groß und fallen nicht runter.” Doch nicht so viel Ähnlichkeit mit einem österreichischen Schulausflug. Dann wird Felix’ Frisbee ausprobiert. Ein großer Kreis, fast alle machen mit. Wir rennen und schießen, manchmal auch auf die Kuhweide. Aber die Kühe interessiert das herzlich wenig. Dann purzeln wieder mal drei durcheinander, weil alle die Frisbee fangen wollen, Betreuer_innen wie Kinder. Und als ich so lachend den Hügel hinauf der Frisbee nachjage, fühle ich mich so entspannt wie lange nicht mehr. Selbst mit einem Dutzend Kinder ist das hier oben irgendwie ein Ort der Ruhe und Entspannung.
Dann zeigt Pamela den Kindern Acro-Yoga-Figuren. Einer liegt auf dem Rücken und streckt die Beine hoch, der andere liegt “fliegend” auf den in die Luft gestreckten Füßen. Das müssen wir natürlich gleich nachmachen. Nach ein paar Versuchen schaffens Felix und ich, eines der Kinder traut sich auch mit mir. Dann purzeln alle lachend den Hügel hinunter. Acro-Yoga dehnt und entspannt, ein willkommener Ersatz für meine Yoga-Session, für die ich seit Tagen keine Motivation finde.
Zum Mittagessen sind wir wieder zurück, und Fernanda hat so leckeres Essen gekocht, dass ich alle 2x nachholen. Nudelauflauf mit Käse überbacken. Dann ist mein Arbeitstag, weil er so früh angefangen hat, auch schon zu Ende. Das nutze ich, um ausführlich nach Hause zu telefonieren, just in eine Gruppe von Schulfreundinnen hinein, die heute beisammensitzen. Ich erzähle von hier, sie erzählen von daheim, und es gibt so manche Dinge, die trotz Zeit und Distanz immer gleich bleiben.