Ich will übers Wochenende raus aus Mindo, wer kommt mit? Im Endeffekt eh die übliche Crew. Nach Otavalo solls gehen, dort gibts einen riesigen, sehr bekannten Markt und einen Nationalpark mit Wasserfällen. Den Freitag nehmen wir frei, Jonas wir sind dann mal weg. Alle.
Ziemlich tot gehts mit dem 6:30-Bus auf Richtung Quito. Dort einmal umsteigen Richtung Otavalo, der Bus schlängelt sich die Berge hinauf. Früher als gedacht kommen wir an und schlagen unser Zelt im Garten des Hostels auf. Wir sind in Peguche, dem kleinen Nebenort von Otavalo. Ums Zelt rennen Enten herum und wollen unserer Jause fressen, direkt vor der Tür beginnen weite Wiesen und Berge. Und Bahngleise, sehr untypisch für Ecuador. Da fährt aber seit Jahren kein Zug mehr.
Wir gehen den Nachmittag gechillt an, Donna und Maja machen Sport und sonnen sich, ich schlafe eine Runde im Zelt, Felix und Edwin starten einen Erkundungstrupp. Gut gelaunt kehren sie nach einer Weile zurück und erklären, sie hätten einen noch schöneren Ort zum Campen gefunden, mitten im Nationalpark beim Wasserfall. Also nichts wie hin. Die Hostel-Menschen sind nicht böse, im Gegenteil hat Felix sie irgendwie als potentielle Website-Kunden an Land gezogen. Networken kann er halt wirklich.
Am Weg zum Zeltplatz finden wir eine süße kleine Kuh und einen Bus, der die Burschen fröhlich anhupt, weil er ihnen vorher schon auf dem Feldweg entgegengekommen ist. Mittagessen wollen wir auch finden, aber das ist um 15.30 in dem kleinen Dorf irgendwie schwierig. Schlussendlich gibts Salchipapa (Würstl mit Pommes). In Nationalpark gibt es kleine Pfahlhütten zu mieten, die es uns sehr angetan haben. Mehr Platz als im Zelt und sogar Strom. Nach einem schnellen Einzug gibts die nächste Erkundungstour. Überall sind kleine Bäche, dort ein Wasserfall. Geil. Wo gehts da nach oben? Ausprobieren. Kommen wir da im Dunkeln auch wieder sicher runter? Passt schon. Der Kletterweg endet auf einer großen Wiese, von der aus man einen Ausblick über den ganzen Nationalpark hat. Wunderschön. Majas Sonnenuntergang wird leider von Bäumen verdeckt, aber dafür finden wir ein flying-fox-ähnliches Teil. Mal an der Schnur ziehen, da kommt irgendwas. Zu unserer Enttäuschung ist es nur ein Karabiner mit Seil, wohl im Sachen rauf und runter zu transportieren. Naja.
Statt dem Kletterabstieg finden wir auch einen einfacheren Rückweg im Dunkeln. “Macht die Taschenlampen aus”, sagt Felix, als wir am Fluss entlang zum Zeltplatz marschieren, “da ist ein Glühwürmchen”.
Und dann wird es magisch. Nicht nur eines, sondern gefühlt 1000 Glühwürmchen schwirren um uns herum. Der ganze Wald und der Weg leuchten und blinken. Ganz nah, auf dem Geländer sitzend, können wir ein Glühwürmchen beobachten. Leise schwebend erhellen sie die Nacht und weisen uns den Weg. Die Lampen bleiben aus, zu schön ist dieses Naturschauspiel.
Zum Abendessen gibts Thunfischbrötchen, der Hüttenboden bleibt leider nicht vom Öl verschont. Naja. Dann gehts auch schon schnell ins Bett, denn Morgen wollen wir früh raus.
Das mit dem früh aufstehen klappt so halb. Ich putze meine Zähne am Fluss spaziere auf der Brücke herum und lasse meine leere Wasserflasche bei der Hütte stehen. Dass ich sie damit zum letzten Mal sehe, weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Von Felix und Donna keine Spur, also mache ich mich allein auf in Richtung Wasserfall. Dahin, wo wir gestern Abend nicht weiterklettern wollten, weils zu nass war. Heute im Badeanzug ist mir das egal.
Der Tröpfchenregen des Wasserfalls hüllt mich ein, als ich über die Felsen klettere. Da ist ein Weg, wo der wohl hinführt? Direkt bis zum Wasserfall, seitlich, da gibts dann auch keinen kalten Tröpfchenregen mehr. Ich stehe ein paar Meter vom Wasserfall entfernt, vor mir stürzt der Fluss tosend nach unten. Zum Duschen ist diese Flut zu stark. Zum Anschauen beeindruckend. Ich lausche eine Weile dem Tosen des Wassers und überlege, ob ich den letzten Kletterpart auch noch wagen soll. Vielleicht kommt man ja hinter den Wasserfall? Bei einem soll das möglich sein, meinte die Rangerin. Aber hier gibts so viele Wasserfälle, dass man eigentlich nie weiß welcher gemeint ist. Beim Zurückklettern treffe ich einen anderen Wanderer aus Galapagos, er ist genauso fasziniert vom Wasserfall wie ich. Dann gehts Baden. Nachdem der Wasserfall dafür wirklich eine Nummer zu groß ist, nehme ich den Fluss.
Der ist im Vergleich zum immerwährenden Tröpfchenregen sogar warm. Nicht sonderlich tief, aber zum plantschen ok. Ich setze mich hinein und fühle die Strömung. Wie stark ist sie? Wo sind Steine? Kann ich da ein Stück weiter rüber, oder ist der Fluss zu stark? Ich kann. Zwischen ein paar Steinen verspreizt genieße ich das frische Wasser. Der Fluss zieht an meinem Badeanzug, an meinen Beinen, spült durch meine Finger. Wir sind im Gleichgewicht, der Fluss und ich. Ich lasse mich nicht mitziehen, er ändert seinen Strom ein bisschen um mich herum. Dann nimmt er einen Stein mit, auf den ich mich gerade gestützt habe, ich such mir einen neuen. Die Strömung ist nicht stark genug, um mich ganz mitzureißen und deswegen spiele ich eine Runde mit dem Fluss. Ist er stärker, oder ich? Mal so, mal so. Nur ich, und die Natur, und ein Gefühl des Gleichgewichts.
Felix hat eine Wegbeschreibung geschickt, Donna und er haben das Naturschwimmbad entdeckt. Der Beschreibung folgt zwar keiner, aber irgendwann finden sich doch alle zufällig beim Schwimmbad ein. So viele Wege gibts jetzt auch wieder nicht. Das Wasser ist warm, wenn man aus dem Fluss kommt. Aber dann irgendwann doch nicht mehr so warm. Entschädigt wird das aber vom unglaublichen Blick auf den Nationalpark und die Berge, die hoch in den Himmel ragen. Das ist so schön, dass wir ein wenig aus dem Zeitplan baden. Aber egal, schnell gefrühstückt und auf nach Otavalo, wo am Samstag ein riesiger Markt in der ganzen Stadt ist. Besonders Ponchos, Schals und ganz viel anderes handgemachtes Zeug wird verkauft, die Stadt ist in ganz Ecuador bekannt dafür.
Zunächst suchen wir wie so oft einen Bankomaten. Dann finden wir auf dem Markt eine wunderschöne Kunstausstellung, bei der ich garantiert ein Gemälde mitgenommen, wenn ich in Wien eine Wohnung einzurichten hätte. Aber das kleine Freiwilligenzimmer in Mindo ist schon überdekoriert. Also nicht. Dann finden wir einen Stand mit Flöten und fangen begeistert an, Panflöte, Querflöte und alles andere druchzuprobieren. Hier gibts auch Flöten, die ich daheim noch nie gesehen habe. Alle handgemacht aus Holz.
Den Rest des Tages verbringen wir am Markt, dazwischen gibts ein Almuerzo. Ich kaufe nicht viel, die Varietät an Sachen überfordert mich und es gibt viel zu schauen. Aber schauen ist auch schön. Und im August muss ich da sicher nochmal herkommen um Mitbringsel zu kaufen.
Wieder hinter dem Zeitplan gehts zurück zum Campingplatz. Wir kaufen Feuerholz bei unserem Freund von gestern und bekommen dabei noch einen kolumbianischen Freund, der Armbänder verkauft und uns hausgemachten Alkohol zu Probieren gibt. Das passiert hier einfach so. Auf die Frage nach Papier zum Feuer anzünden bekommen wir auch noch ein altes Schulbuch in die Hand gedrückt und sind super versorgt. Können uns jetzt entscheiden ob wie Feuer machen oder Wirtschaft lernen.
Zurück im Nationalpark starten wir die nächste Wasserfallexpedition. Denn diesen, wo man dahintergehen kann, haben wir immer noch nicht gefunden und das lassen wir nicht auf uns sitzen. So starten Donna, Felix und ich mit Badezeug und Stirnlampen ausgerüstet Richtung Fluss. Das Ziel: Die Höhle, wo wir gestern nicht weitergekommen sind. Volltreffer. Wir sind vom Wanderweg durch einen kleinen Tunnel gekraxelt, der am Wasser endet. Dahinter tost es verdächtig. Der Tunnel wird also schnell mal zur Umkleidekabine umfunktioniert und schon gehts durch den Fluss. Denn von hier sieht man den Wasserfall schon, man muss nur ein Stückchen waten. Wie stark ist die Strömung? Geht schon. Vorsichtig an der Wand und den Steinen stützend bahnen wir uns den Weg. Kommen wir bis zum Wasserfall? Wie tief wirds da? Felix, probier mal aus, du bist größer. Die Stirnlampen brauchen wir doch nicht, denn von oben fällt genug Licht in die Grotte. Stirnlampen also zurück in die Höhle. Mittlerweile habens Felix und Donna hinter den Wasserfall geschafft, das lasse ich mir auch nicht nehmen.
Das Wasser spritzt mir in die Augen, direkt neben mir stürzt der Wasserfall herunter. Ich drehe ihm den Rücken zu, damit ich die Augen öffnen kann. Es tost, neben mir die Felswand. Das Wasser wird aufgewirbelt, aber ich stehe stabil. In der kleinen Felsnische sammelt sich Schaum und Müll, das schmälert die Idylle ein wenig.
Eis und Tia, Feuerholz, unser kolumbianischer Freund.
Noch eine Wasserfallexpedition, Gefühl drunter zu stehen.
Gemüsepfanne, teller und löffel aus alufolie, Spargel, alles aufs Feuer, wir feiern das. Kuschelhund.
Schlafe beinahe ein am Feuer.
Der Plan früh aufzustehen klappt diesmal aus anderen Gründen. Nämlich weil wir alle die halbe Nacht wach waren. Fragt nicht, was mit unserem geilen Abendessen falsch war, aber irgendwas dürfte gewaltig falsch gewesen sein. Jedenfalls kommt es die ganze Nacht oben und unten wieder raus und wir wecken uns gegenseitig auf, wer denn jetzt wo das Antibiophilus hingestellt hat. Nicht ganz so witzig. Also sind wir in der Früh alle ziemlich ko. Felix stellt fest, dass wir auch jedes mal noch toter zurückkommen als wir weggefahren sind von unseren Wochenendtrips. Aber diesmal ist das schon eine Kunst. Also möglichst alles irgendwie zusammenpacken, zum Terminal, Busfahrt überleben. Das klappt erstaunlicher Weise gut, ich schlafe einfach.
In Quito trenne ich mich von der Gruppe für einen Zwischenstop im Museo Inti Nan, meine Trinkflasche nachkaufen. Denn die ist mir doch tatsächlich geklaut worden, als ich sie neben der Hütte stehen hab lassen. Mein Vertrauen in die Menschheit und Campingplätze schwindet ein bisschen. Aber soll nix schlimmeres passieren, denke ich mir und fahre per Taxi nach Mitad del Mundo. Wo ich später in den Bus nach Mindo zusteige. Und da ist das Vertrauen in die Menschheit dann auch schnell wieder hergestellt: Die Verkäuferin und das Personal im Museo sind total lieb und lassen mich ohne Eintritt schnell ins Geschäft huschen. Die Securities von Mitad del Mundo lassen mich aufs Klo gehen, passen derweil auf meinen Rucksack auf und erklären mir genau wo die Bushaltestelle ist. Die Fressbudenbesitzer an der Bushaltestelle checken nochmal ab, ob ich auch wirklich richtig bin und geben mir im Minutentakt Updates, wann denn der nächste Bus kommt. So viel Hilfe bräuchte ich eigentlich garnicht, denn ich bin nicht zum ersten Mal in Mitad del Mundo und weiß dank Felix’ Livestandort auch wann der Bus kommt. Aber die Herrschaften lassen es sich nicht nehmen, dafür zu sorgen, dass ich in den richtigen Bus komme. Und das, obwohl ich ihnen dafür echt nix von ihren Imbissbuden abkaufen kann, denn das macht mein Magen noch nicht mit.
In Mindo angekommen sitzen wir schließlich froh und ko im Comedor von SALEM und überlegen wie wir weiter machen. Es regnet, Strom ist wieder mal weg. Die Ergebnisse einer schnellen Fiebermessrunde passen nicht unbedingt dem Befinden der jeweiligen Personen zusammen, aber zumindest haben wir jetzt in Zahlen, dass es uns kake geht. Alle ins Bett, mit Katze als Wärmeflasche. Dann geht das schon.