Ich möchte ehrlich sein. Die letzte Zeit war eher schwierig. Wenn das Leben in Wellen verläuft war die Frequenz der Wellen in den letzten Monaten sehr klein, die Amplitude hoch. Rauf, runter die Stimmung, manchmal ohne erschließlichen Grund. Ich hatte Momente des ultimativen Freudentaumels, abwechselnd mit tiefen Löchern, in die ich gefallen bin. So spielt das Leben manchmal. Aber aufgestanden bin ich immer wieder.
Ich kann nicht genau sagen, wann und wie es angefangen hat. Aber ich kann sagen, dass es jetzt wieder besser geht. Die Sonne scheint, ich lasse mich im Fluss treiben. Dann bin ich wieder glücklich. Für mich. Ich singe mein eigenes Lied, spiele meine eigenes Stück, führe selbst Regie in meinem Leben.
Es gibt sie, diese Zeiten, wo man einfach feststeckt, Sand im Getriebe ist. Kein Weiterkommen. Einen spezifischen Grund gibt es nicht. Oder vielleicht viele verschiedene Gründe, die gerade ungünstig zusammenspielen. Das passiert, so ist das Leben. Wichtig ist, dass ich ein kleines Stehauffraulein bin und bleibe. Das, was mich komplett umhaut muss sich auch erst mal finden. Und wenn ich komplett am Boden bin, dann stoße ich mich fest ab, so fest, dass ich gleich wieder fliege. Ganz hoch. Bis ich irgendwann, beim nächsten festen Windstoß, abstürze und mich wieder am Boden finde. Und mich frage, wie ich denn da jetzt schon wieder hingekommen bin.
Mein soziales Umfeld hier hat sich wieder mal verändert und neu aufgestellt. In Gedanken war ich viel daheim in letzter Zeit. Viel Organisatorisches zu erledigen auch, die Rückkehr kommt näher. Und daheim sind schon einige nette Sachen geplant, auf die ich mich freue. Das macht die Gedanken ans Heimkommen um einiges einfacher. Die vielen Gedanken an daheim und die laufenden Emotionswellen haben aber auch einen Nachteil: Heimweh. Ein Gefühl, dass ich selten kenne, aber wenn dann richtig. “Ich will nach Hause, kein Bock mehr”, habe ich unlängst beim Mittagessen trotzig verkündet. Ein bisschen später habe ich dann Psychologin Marcela erklärt, dass heimfliegen vielleicht auch nicht die Lösung ist, aber mir alles auf die Nerven geht. Sie hat nicht nur für die Kinder, sondern auch für uns Kolleg_innen immer ein offenes Ohr, was ich sehr schätze. Und nach dem Gespräch mit ihr ist mir dann doch nicht mehr alles auf die Nerven gegangen. Solche Situationen gibts, und ich will sie nicht verheimlichen. So lange am andern Ende der Welt sein ist nicht immer lustig. Freiwilligeneinsatz ist auch nicht immer lustig. Auf der anderen Seite geht mir auch daheim manchmal alles auf die Nerven. Auch in Wien habe ich schon herumposaunt, dass ich weg will. Manchmal habe ich halt einfach keine Lust dort zu sein, wo ich bin, das zu tun, was ich tun soll. Egal wo oder was das ist, manchmal reichts. Das ist menschlich und es darf sie geben, die schlechten Phasen. Aber ich komme immer wieder hoch vom Boden, bin ein Stehauffraulein.
In kleinen Schritten gehts voran, der Weg zum nächsten Hoch, der Weg mich selbst besser kennenzulernen, aus den Erfahrungen zu lernen. Manchmal teilt das Leben schon die nächste Watsche aus, wenn ich gerade wieder auf den Beinen bin. Wenn ich noch instabil stehe. Dann frage ich mich schon, warum denn schon jetzt die nächste Belastungsprobe kommt. Ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, dass ich trotzdem wieder aufstehen werde. Unermüdlich. Und dass alles, was mich nicht umbringt, mich nur stärker macht. Und um mich zu Fall zu bringen, braucht es schon einiges. Meistens wanke ich ein bisschen, Stehauffraulein, und komme dann wieder zum stehen.
Saber que se puede
Querer que se pueda
Quitarse los miedos
Sacarlos afueraPintarse la cara
Color Esperanza – Diego Torres
Color esperanza
Tentar al futuro
Con el corazón
Manchmal verkrieche ich mich in mein Schneckenhaus, will niemanden sehen. Nur die Katze, zum kuscheln. Dann sitze ich da eine Weile, es ist finster. Ich laufe dem Alltag nach, funktioniere irgendwie. Aber irgendwann komme ich dann auch wieder hinaus aus diesem Schneckenhaus. Strecke die Nase in die Sonne. Vielleicht ist das Schneckenhaus auch kein Schneckenhaus, sondern ein Kokon. Ein Kokon, in den sich die Raupe zurückzieht, um später als Schmetterling wieder hervorzukommen. Und wenn gar nichts mehr geht, verpuppe ich mich eben wie die Raupe. Um für mich zu sein. zu lernen, und stärker zurückzukommen. Wie ein Schmetterling.
Manchmal frage ich mich, wo ich war die letzte Zeit. In meinem Kopf, in meinem Schneckenhaus, in meinem Kokon, wie man es auch nennen mag. Bei mir. Denn die wichtigste Person für mich, bin immer noch ich selbst. Und für diese Person muss ich da sein. Das dauert manchmal ein Zeitl. Dafür ist es umso schöner mir selbst zuzusehen. Beim Wachsen, beim Stärker werden, dabei mich selbst zu finden. Beim immer wieder Aufstehen, hochkämpfen, Krone richten und weitergehen.
Ich habe viel gelernt in der letzten Zeit. Versucht vieles zu ändern, was änderbar ist. Das zu akzeptieren, was nicht änderbar ist. Es waren auch viele Entscheidungen zu treffen. Für jetzt, manche schon für die Rückkehr. Das kann auch Sand ins Getriebe bringen. Das ewige Hin und her, vor und zurück, nicht wissen, was richtig oder falsch ist. Ich habe sie getroffen, die Entscheidungen. Ob sie richtig oder falsch waren, weiß ich nicht. Manchmal gibt es auch kein richtig oder falsch. Aber wenn die Entscheidung erst mal getroffen ist, gehts zumindest nicht mehr ewig vor und zurück, ich trete nicht mehr am Stand, es geht weiter. Wohin weiß ich nicht immer, aber wird schon gut werden.
Es fängt an zu tröpfeln, sagt Felix. Ich sitze mal wieder auf dem Dach, meinem Nachdenkplatz, Nein, sage ich. Bei mir regnets heute nicht. Die Wellenampiltude steht auf Sonnenschein. Bin ein wenig zurück gerutscht unter den Vorsprung. So werden nur meine Füße ein bisschen nass. Ich schaue in die wolkenbedeckten Berge und fühle Dankbarkeit. Viel Dankbarkeit, dass ich hier sein darf. Für die vielen schönen Momente, die ich schon genießen durfte. Für alle Leute, die hier zu meinen Freund_innen geworden sind. Für die Leute in meinem Leben, die da sind, egal ob die Sonne scheint oder es regnet. Egal, wo auf der Welt ich bin oder sie sind.
Ich dachte statt an mich an Amore und verlor etwas, was man nennt, den Stolz auf diese Eleonore, die sich schwor, sie schafft es auch allein!
Hoch mit dem Vorhang, raus auf die Bühne!
Ab jetzt hat all das Vorrang, was mir viel zu lang entging.
Ich will bekommen, was ich verdiene.
Ich habe viel gewonnen, ganz egal was mir entging – ganz egal was ich erring.
Es wird nicht leicht sein, doch ich singe mein Lied!
Jetzt nur noch mein Lied, ein nichts-macht-mich-klein Lied.
Nie wieder Tränen, ich lebe jetzt, statt mich zu sehnen.
Mein Lied – Musical Schikaneder
Es gibt nur eine einzige Person, mit der ich jede Minute meines Auslandsjahres hier verbracht habe. Die dafür verantwortlich ist, dass ich hier bin und das mein Zimmer unaufgeräumt ist und auch, dass gerade Gelsendippel kratze, weil ich das Repelente vergessen habe. Und das bin ich selbst. Und so sehr ich manchmal zweifle und alles zerdenke, weil das eben meine Art ist, so sehr ist eines sicher: Das ich mit mir bin. Dass ich so stolz auf mich selbst bin, auf das was ich schon alles geschafft habe. Das, was andere vielleicht gar nicht gesehen haben. Ich schon. Gerade, wenns nicht so gut läuft, merke ich wie gut ich mittlerweile mit Problemen umgehen kann. Wie gut ich mich und meine Psyche mittlerweile kenne. Wie gut ich Stehauffraulein sein kann.
Jetzt gehts wieder leichter. Der Sand ist aus dem Getriebe verschwunden, die Regenwolken haben sich vertschüsst, es scheint die Sonne. Und das ist schön. Die Zeit des Wankens und des Hinfallens ist erst einmal vorbei. Jetzt stehe ich und blicke der Sonne entgegen. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass ich eine schwierige Zeit durchmache. Aber es wird auch nicht das letzte Mal sein, dass ich sie hinter mir lasse. Denn das Stehauffraulein sein, das kann ich. Ich singe mein Lied, mein eigenes Lied des Lebens und ich singe es laut.