Zwischen Swarovski und Basilikumpesto

Wie sieht ein Shoppingzentrum in Quito aus und was bekommt man dort? Vielleicht Basilikumpesto? Was kostet was, und was ist es wert? Ich habe heute halb Quito leer geshoppt und dabei ziemlich viel nachgedacht.

Am Vormittag geht es aber erst mal mit Astrid und Lucy in den Park. Dort darf Lucy rennen und spielen und wir bringen langsam unsere Lungen wieder in Gang. Der Berg gestern hängt noch bisschen nach. Im Park gibt es einen schönen Aussichtspunkt, aber der nutzt uns bei dem Nebelwetter nicht viel. Astrid zeigt uns, in welche Richtungen wir uns welche Berge vorstellen können.

Danach gehts ins Einkaufszentrum. Wir sind mit einer ganzen Liste an Dingen nach Quito gekommen, die es in Mindo nicht zu kaufen gibt. Und das Einkaufszentrum sieht überraschend aus wie daheim. Als erstes Geschäft springt uns ein Swarovski entgegen. Den gibts auch wirklich überall. Bershka, Stradivarius, .. so zirka die Hälfte der Geschäfte hier gibts im Donauzentrum auch. Lustig. Was wir eigentlich wollen sind Campingsachen. Dort überleben wir die nächste Überraschung, denn im Sportgeschäft hängen ganz selbstverständlich deutsche Marken wie Deuter herum. McKinley ist zwar amerikanisch, kenn ich aber auch von daheim. Nur alles doppelt so teuer wie daheim. Ein Hoch auf Importzölle und Transportwege heißt das wohl, anders kann ich mir die Preise nicht erklären. Die Campingsachen sind nämlich sogar für unsere Verhältnisse sauteuer, aufs ecuadorianische Einkommen gerechnet unleistbar. Der billigste taugliche Schlafsack, denn wir finden, kostet 110 Dollar. Das überlegen wir uns nochmal.

Weiter gehts in die Buchhandlung, wo ich einen Reiseführer über Ecuador erstehe. Hab nämlich keinen mitgenommen, warum weiß ich eigenlich nicht mehr. Jetzt hab ich jedenfalls einen. Wir rennen und verrennen uns weiter, irgendwie verstehen wir den Aufbau von diesem Einkaufszentrum nicht. Im Baumarkt gibts Karabiner für die Hängematte, yey. Zu guter Letzt, und eigentlich das interessanteste, ist der Supermarkt. Ich finde ja in ausländischen Supermärkten bekommt man das beste Gefühl, was in einem Land teuer ist und was nicht. So auch hier. Der Plan ist, uns mit möglichst vielen Sachen zu versorgen, die in Mindo nicht aufzutreiben sind. Erdnussbutter zum Beispiel. Aber 6 Dollar für ein Glas ist sie uns dann doch nicht wert. Dafür kommt irgendeine Karamellcreme mit, keine Ahnung was das ist, aber wir probierens aus. Ich entdecke Taschentücher, die wesentlich billger sind als in Mindo. 1 Dollar irgendwas. Kommen mit. Zu meiner großen Freude finden wir Tofu, den ich schon sehr vermisse. Ist auch doppelt so teuer wie daheim. Sojasoße dafür billiger. Nagut. Auf einmal brechen wir in Freundenschreie aus, es gibt Pesto. Eines, das daheim schon teuer ist. Aber hier kostet es einfach mal 5 Dollar das Glas. Wir werden uns wohl doch selber Pesto machen. Was wir bis zum Schluss nicht finden ist eine Großpackung Müsli. Dann kaufen wir das halt weiterhin in 300g-Packungen. Unlogisch, aber wir finden uns damit ab, dass es manche Dinge halt nicht gibt. Und das Bezahlen ist meganervig, man braucht jedes Mal die Pass- oder Ausweisnummer dafür. In Ecuador werden Rechnungen höchst offiziell ausgestellt und das Steuersystem ist ziemlich kompliziert.

Mitten in diesem stressigen Einkaufszentrum, das so halb aussieht wie daheim und teilweise Preise hat, die selbst mich erschlagen, fange ich noch mehr an nachzudenken. Über Preise und Wert. Daheim weiß ich, was ungefähr was kostet, kann schätzen, finde manche Dinge verhältnismäßig, andere nicht. Hier habe ich noch keine Ahnung. Der kurze Shopping-Ausflug hat ein bisschen Aufschluss gegeben, aber noch mehr Fragen aufgeworfen. Ich weiß von manchen meiner Kolleg_innen und Freund_innen das Gehalt und ihre Mietkosten. Dabei ergeben sich unvorstellbare Klüfte, speziell zwischen Stadt und Land wie mir scheint. Ich verstehe jetzt, warum in Mindo alle sagen, Quito sei so teuer. Gleichzeitig denke ich nach über globale Handelsketten, und warum ich mit in Quito einen Deuter-Rucksack kaufen könnte. Und ich könnte, wenn ich wollte, das ist der Punkt. Wir können auch den Schlafsack kaufen. Ich kann ohne viel nachzudenken einen Reiseführer kaufen und dem Salem-Team einen neuen Espressokocher spendieren, weil der alte auseinander fällt. Ich könnte mir auch drei Gläser Erdnussbutter oder Pesto kaufen. Mache ich nicht, weil es mir das nicht wert ist bei diesen Preisen. Aber die Möglichkeit hätte ich, das Konto würds erlauben. Weil ich europäischen Finanzbackground habe und damit schon mal aus Prinzip mehr Geld, als die meisten hier. Die Lebenserhaltungskosten hier sind niedriger, und damit auch die Löhne, schon klar. Aber ich denke an manche meiner Freunde hier, die jeden Tag – auch am Wochenende – wirklich hart arbeiten. In mehreren Jobs. Und trotzdem kommt es vor, dass sie zum Monatswechsel Felix und mich fragen, ob wir ihnen nicht Geld borgen könnten, 20 Dollar vielleicht. Machen wir gern, denn wir bekommen es immer verlässlichst wieder zurück. Aber wenn Gehälter nicht oder nicht rechtzeitig ausbezahlt werden, ein Teil der Arbeit schwarz passiert und dabei eigenen Regeln unterliegt und die Personen sowieso schon am finanziellen Limit leben, dann kann es schon mal passieren, dass kein Geld da ist um Essen zu kaufen. Die 10 oder 20 Dollar, die ihnen dann den Arsch retten, kann ich im Einkaufszentrum ohne große Bedenken ausgeben. Für mich ist das nicht so viel, wenn ich das darum bekomme, was ich brauche. Für andere hier ist das sehr viel. Und dagegen tun kann ich nicht viel. Geld herborgen, wenns wieder mal brennt. Mal zum Essen einladen. Ein paar Brote und mehr Wasser zum Wandern mitnehmen. Das ist dann auch schon alles, der bittere Beigeschmack bleibt.

Mit diesen Gedanken im Kopf gehts an die Heimfahrt. Raus aus der lauten, manchmal hektischen Großstadt Quito, zurück ins ruhige Mindo. Ich habe sie genossen, die paar Tage in der Stadt, mit allen Möglichkeiten die eine Stadt so bietet. Aber ich bin auch nicht böse, dem ganzen Stress wieder entfliehen zu können zu meinen Katzen und Hühnern. Nicht ganz Stadtkind, nicht ganz Landkind, sondern irgendwas dazwischen. Mache Dinge ändern sich auch in der Ferne nicht.

Plötzlich steht der Bus, es gab einen Unfall weiter vorne, die Strecke ist gesperrt. Und das bleibt sie für fast zweit Stunden. Der gesamte Reiseverkehr wartet. Über das lange Wochenende sind viele verreist, besonders von Quito Richtung Mindo oder Küste. Die Gegenrichtung steht noch, als wir schon längst wieder fahren. Die Leute nehmen es ziemlich gelassen, die zwei Stunden Verspätung. Es gibt anscheinend nur diese Route. Mitten in den Bergen eine Umfahrungsroute zu finden, scheint auch unmöglich. In Österreich hätte uns das Navi und das Radio wahrscheinlich schon 5 Ausweichrouten vorgeschlagen, und die Straße wäre eine Autobahn mit 3 Spuren, von denen zumindest eine schnell wieder frei wäre. Hier nicht, also stehen wir. Und irgendwann, als die Unfallstelle aufgeräumt ist, fahren wir eben wieder, so funktioniert das hier.

Gegen 8 kommen wir in Salem an, essen was wir finden und fallen nur noch ins Bett. Meine Gedanken kreisen immer noch über das Erlebte der letzten Tage, über den Wert von Geld und über Stadt und Land. Es gibt zu viel zu Denken, über diese Sachen und auf eine Lösung kommt man trotzdem nicht. Vielleicht muss ich das irgendwann einfach akzeptieren. Und trotzdem weiterdenken.

7 Kommentare

  1. Update: Wir haben übrigens in Mindo mittlerweile Erdnussbutter gefunden. Man muss nur wissen wo. Das findet man am besten raus indem man Köchin Fernanda fragt oder Luisa in unserer Frutaría. Manche Dinge sind eben irgendwo in einer Ecke oder unter der Ladentheke verstaut. Pesto gibts immer noch nicht, aber daran hab ich mich mittlerweile gewöhnt.

  2. Liebe Julia,
    ich war dank Hamsterrad, Alltag und Gewohnheit etwas säumig mit dem Lesen und noch mehr mit dem Schreiben.
    Auch dieser Beitrag beinhaltet trotz aller Widrigkeiten so viel positives von Dir. Ich bin nach wie vor, und jetzt gleich wieder noch mehr, davon überzeugt, dass Du einmal vieles bewegen wirst. Ich weiß ja nicht ob meine “Vision” eintrifft dass du vor der UNO Vollversammlung eine Rede für die Menschen halten wirst, aber vorstellen kann ich es mir sehr gut. Du bist so wunderbar realistisch ohne dabei zu verzagen! Du hast eine wunderbare Anschauung der Dinge. Es ist schön das es dir gut geht und du uns regelmäßig teilhaben lässt. Herzliche und liebe Grüße aus dem grauer werdenden Wien. Genieße die Vegetation und Natur. Andreas

    • Lieber Andreas,
      danke für die lieben Worte. Es freut mich, dass du da so viel Potenzial siehst in meiner Zukunft. Ich bin ja mal gespannt. Falls ich mal vor der UNO-Vollversammlung rede, bist du jedenfalls eingeladen. 🙂

  3. Liebe Julia!
    Ich denke auch das ist doch das Ziel eines solchen Abenteuers… Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen, da kommt man manchmal ins Grübeln und das ist doch gut so 😊. Leider kommt man auf manche Dinge auch erst wenn man sie nicht mehr hat, egal ob materiell oder auch nicht Käufliche. Ich lese gerne von deinen Abenteuern, ich wusste gar nicht dass du so sportlich ambitioniert bist 😉
    Viele liebe Grüße von der Couch, sportliche Aktivität muss gerade warten, mein Knie ist frisch operiert… Jetzt hab ich Zeit mehr zu lesen und zu schreiben…

  4. Liebe Julia!
    Ich finde gut, dass du dir so viele Gedanken machst!
    By the way: Wir arbeiten zu Hause auch hart – es wird leider immer mehr uns gleiche oder weniger Geld- nurbekommenwir unser Geld sicherer in Ö!
    Das Leben ist nirgends ein Honigschlecken, aber in manchen Ländern noch schwieriger….
    Du machst wichtige Erfahrungen – schätzt jetzt vielleicht umso mehr, wie gut es uns geht – wir müssen uns aber manchmal auch sehr verausgaben, um diesen Standard zu haben! :-/
    Deine nachdenkliche Mum

    • Dem stimme ich nicht ganz zu. Ich glaube die Definition von “hart arbeiten” ist auch nicht überall auf der Welt dieselbe. Wenn ich im Kontext von hier davon spreche heißt das zB, dass eine Person aus Venezuela geflohen ist, weil dort Hyperinfaltion von 1700% herrscht und einem der Wert des Geldes quasi durch die Finger rinnt. Und dass diese Person dann hier mit 5 Jobs und fast 24/7 arbeiten versucht, sich zu ernähren und ein bisschen Geld nach Hause zu schicken, damit die Familie was zu essen hat.
      Und über den europäischen Standard können wir auch gerne diskutieren, jedoch bin ich der Meinung, dass der auch sehr viel mit der historischen und gegenwärtigen Ausbeutung anderer Länder zu tun hat…

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