Unendlichkeiten und Meeresrauschen

9:30 Uhr. Ich sitze da unter einem Dach aus Palmenblättern, die notdürftig den Regen abhalten. Ich spüre den Wind an meiner Haut vorbeiziehen. Lausche den Wellen, die am Strand brechen. Irgendwie sind die Wellen hier viel kleiner, als ich sie erwartet habe. Aber mein letztes Mal am Meer ist so lange her, dass ich ihre Wucht um die Knöchel, wenn ich am Sand entlang gehen, unterschätzt habe. Wie sie mich jedes Mal aufs Neue ein bisschen zum Schwanken bringen, wenn sie sich ins Meer zurückziehen.

Es ist schon komisch: Ich habe mich noch nie wirklich wohl gefühlt, wenn ich ins Meer schwimmen gehe. Es fühlt sich beklemmend an, nicht zu wissen, was unter mir passiert. Aber ich will sie auch nicht sehen, diese andere Welt. Es ist eine beruhigende Fremde, solange ich ihr nicht zu nahe komme. Viele finden es eigenartig, wenn ich sage, dass mir das Meer Angst macht. Und noch eigenartiger finde ich selbst, dass mich das Meer extrem beruhigt, wenn ich ihm nahe bin. Wenn ich ihm lausche und seinen Wellen zusehe. So wie jetzt gerade. Wenn sich in mir ein Sturm auftut und ich mich hier hinsetzen kann, um in die Weite zu schauen, die sich vor mir erstreckt. 

Der Himmel ist grau, ich schaue nach links, dann nach rechts. Ich sehe das Ende des Strandes nicht. Nur Sand und Wasser vor mir. Es fühlt sich so an, als könnte ich aufstehen, losgehen und nie irgendwo ankommen, egal welche Richtung ich wähle. Irgendwie ist das eine gute Metapher für das Leben. Wir haben so viele Möglichkeiten, können uns immer wieder unsere Wege aussuchen. Aber wo wir letztlich ankommen, zeigt sich erst sehr viel später. Am Anfang jedes Weges steht die Unendlichkeit, die Entscheidungen so schwer macht.

Jetzt, in diesem Moment, muss ich mich entscheiden, ob ich unter dem Dach bleibe oder den Weg durch den Regen zurück zu unserer Hütte nehme. Dort, wo die anderen gerade vielleicht Pläne für den Tag schmieden oder schon am Frühstücken sind. Aber bevor ich einen Weg einschlage, nehme ich mir noch zwei Minuten für die Geräusche der Wellen, den Geruch des Salzes in der Luft und die Unendlichkeit des Meeres.

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