Geht nicht gibts nicht. Das war so ein bisschen mein Motto während der Reise und auch das, was ich davon mitgenommen habe. Ich bin überall irgendwie hin und auch wieder zurück gekommen, auch wenn es zwischendrin oft etwas aussichtslos gewirkt hat. Ich habe so ziemlich alles gesehen, was ich sehen wollte und nebenbei noch viele verrückte Sachen und Erfahrungen gemacht. Meine Freund_innen sagen zurecht, dass man mich manchmal nicht alleine lassen sollte, weil ich dann auf dumme Ideen komme. Aber, die dummen Ideen haben oft zu den lustigsten und eindrucksvollsten Erlebnissen überhaupt geführt. Und keine Sorge, auf mich aufpassen kann ich schon.

Ich reise und lebe für mich, nicht für alle anderen. Auch wenn ich zwischendurch immer wieder das Bedürfnis hatte, ein wenig “herumzuinfluencen”, also die schönsten Fotos des Tages auf Instagram zu stellen. Denn wenn ich schon niemand unmittelbar zum erzählen haben, dann dürfen wenigstens alle die schönen Fotos sehen. Hab ich genug gemacht? Hab ichs genug genossen? War ich zu viel in meinem Kopf? Die Fragen habe ich mir beinahe täglich gestellt am Anfang. Es kommt so wie es ist und so passts, war dann die Devise nach ein paar Tagen. Und schön wars auf jeden Fall.

Begegnungen und Welten

Es ist eine andere Welt, in der man sich beim Reisen bewegt. Eine andere Welt als in Österreich, eine andere Welt als in Mindo. Die Community, in der ich mich bewege, ist international. Leute aus Kanada, aus Mexiko, auch viele aus Deutschland. Wenige aus Ecuador. Die meisten meiner Freund_innen in Mindo haben lang nicht so viel von Ecuador gesehen wie ich. “Wo warst du, wie ist es dort?” “Darf ich fragen, wie viel Geld du ausgegeben hast dafür?” “Boah, du hast jetzt aber lang frei gehabt, voll schön.” Die Fragen bekomme ich, ich ein paar Tage in Mindo bin. Klar freuen sich alle für mich, für die Erfahrungen. Aber es herrscht schon ein gewisses Ungleichgewicht. Finanziell natürlich primär. Die meisten Leute von hier könnten sich diese Reise nicht leisten. Mein Tagesbudget liegt beim Reisen deutlich höher als in Mindo. Weil ich es mir leisten kann und gerade leisten will. Ich bin schließlich nicht ewig hier. Die Kosten für die Rundreise machen ungefähr ein ecuadorianisches Monatseinkommen aus. Mindestlohn, viel mehr bekommt hier auch keiner. Kann ich das auf Nachfrage sagen? Naja, lügen will ich auch nicht. Und lang war ich weg. Ecuadorianische Arbeitsverträge sehen 2 Wochen Urlaub im Jahr vor. Wir haben mit dem Freiwilligendienst einen österreichischen Arbeitsvertrag mit 5 Wochen Urlaub. Und wenn ich dann noch Zeitausgleich für Überstunden nehme, läppert sich da einiges an freier Zeit zusammen. Dann kann ich mal lang weg sein. Klar, dass das auffällt. Und ich würde das jeder und jedem hier absolut genauso gönnen. Aber die ecuadorianische Arbeitswelt ist, wie sie ist. Unfair. Und ein wenig sehr Gringa und Weltverbesserin fühle ich mich schon, als ich meinen Freund_innen von Orten in ihrem eigenen Land erzähle, die sie noch nie gesehen haben und auch nicht so bald sehen werden.

Die internationale Welt. Da, wo alle irgendwie den selben Knall haben, wo man keinem erklären muss, wie zur Hölle man auf die Idee gekommen ist, ein Jahr nach Ecuador zu gehen. Weil viele dasselbe oder etwas ähnliches machen, man teilt die Gedanken. Man teilt Erfahrungen, Reisetipps, Weltansichten, eine Welt die sonst keiner versteht. Die Leute in Österreich nicht, die Leute in Mindo nicht. Die Reiseleute eben schon. Und all das führt dazu, dass man irgendwann am Strand sitzt und mit Leuten, die man vor 2 Tagen noch nicht einmal gekannt hat, das Leben und die Welt erörtert. Über sich erzählt und viel fragt, über die Zukunft sinniert. Sich verstanden fühlt. Gedanken wälzt. Draufkommt dass man viel gemeinsam hat. Viel erlebt hat, dass daheim keiner versteht. Fremde, die schnell zu Freunden wurden, verstehen es. Denen kann man auch alles erzählen. Sie lernen mich im Moment kennen, wie ich jetzt gerade bin, ohne Geschichten und Erfahrungen. Und ich sie. Und ich habe viele Leute kennengelernt. Alle in anderen Lebensphasen, aus anderen Ländern, mit anderen Erfahrungen und Lebensläufen. Und ich war jedes Mal wieder beeindruckt. Menschen und ihre Geschichten sind und bleiben interessant.

Erinnerungen

Obwohl Ecuador so ein großes Land ist, komme ich langsam an manchen Orten zum zweiten Mal vorbei. Es fühlt sich vertraut an, nicht mehr nur neue Abenteuer, sondern auch schöne Erinnerungen zu finden. Ich erkenne Orte wieder, beim Vorbeifahren, beim Bus wechseln, beim Stehen bleiben. Das kleine Restaurant in Papallacta, in dem Maja und ich am Silvesterabend gestrandet sind. Und die Bushaltestelle gegenüber, von der wir fast nicht mehr weggekommen wären. Der Parkplatz in Quilotoa, wo wir Rudi abgestellt haben. Und wohl irgendwann davor oder danach das Nummernschild angebaut haben. Saulos Bar, die wir nach der anstrengenden Kraterwanderung gestürmt haben und erst mal 5 Liter Wasser getrunken haben. Die Bushaltestelle beim Nationalpark Cotopaxi, wo ich nach zuerst nach einer Gruppe gesucht hab und dann am Nachmittag nach der Gletscherwanderung sehr ko auf einen Bus gewartet hab. Die Mautstelle bei Machachi, wo ich zum zigsten Mal die letzten durch fahre und die wir mit dem Auto auch passiert haben. Der Terminal Carcelén, auf dem wir immer landen wenns irgendwie Richtung Quito geht und wo wir mittlerweile die Buszeiten auf WhatsApp gespeichert haben. Die Fahrt von Quito nach Mindo, die ich schon unzählige Male hinter mich gebracht habe. Manchmal in zwei Stunden, manchmal in vier. Meistens wartend auf die Whatsapp-Nachricht, wer mich mit dem Moto vom Y abholt. In Nanegalito melde ich mich nochmal. Und schlafen kann ich auch ein bisschen, denn mittlerweile erkenne ich auf der Strecke sogar ohne Google Maps, wo ich bin. Vertraut.

Fürs nächste Mal…

Viel gelernt habe ich auf jeden Fall auf der Reise. Was gut funktioniert hat, was nicht so, was ich nächstes Mal anders machen würde. Ich werde wohl im Vorhinein besser planen und recherchieren. Das ist diesmal ein bisschen untergegangen, weil ich mit dem Ferienprogramm vorher so in Arbeit eingedeckt war, das einfach keine Zeit war. Aber sinnvoll wäre es schon, die ganze Route im Vorhinein festzulegen und schon mal Quartiere herauszusuchen. Einen Tag flexibel sein kann man dann immer noch. Aber bessere Vorbereitung hätte mich wahrscheinlich vor den verzweifelten 3h Reiseplanung in Misahuallí bewahrt. Die volle Freiheit, zu entscheiden, was ich jetzt machen will, ist auch schwierig. Denn ich muss erst mal draufkommen was ich eigentlich will, dann entscheiden, dann planen… und bis dahin bin ich mir schon gar nicht mehr sicher was ich eigentlich will. Der Struggle am alles allein entscheiden können: Man muss auch alles allein entscheiden. Und ich hatte einen gewissen Perfektionismus mit im Gepäck, denn es sollte ja eine geile Reise werden. Das Resultat daraus war, dass ich mich mal unschlüssig und unzufrieden an irgendeinem Ort wiedergefunden hab, mich gefragt habe warum ich dort hin wollte und was ich da jetzt tue. Julia, es passt schon, hätten mir meine Freund_innen in dem Moment wahrscheinlich gesagt. So musste ich es mir eben selber sagen. Hat nicht so viel Gewicht. Wie auch immer, ein Plan zum anhalten ist wahrscheinlich sinnvoller als vollkommene Freiheit.

Auch mein Packchaos in den Griff zu kriegen steht auf der Bucket List. “Wenn das nicht so aussehen würde, wäre es nicht dein Zimmer”, schreibt Edwin irgendwann auf ein Foto vom chaotischen Dschungelzimmer. “Jetzt kann ich dir auch nicht helfen”, meint Vanessa auf die Feststellung, dass auf der Rundreise sie Ordnung in meinen Sachen gehalten hat und ich selbst das so gar nicht hinbekomme. Aber ich bin eben auf Reisen wie daheim die Chaosqueen. Und irgendwie ist immer noch alles in den Rucksack gewandert.

Was war gut? Das in den Tag hineinleben nach Lust und Laune. Ich werde auch nie wieder einem Reiseführer glauben, dass dort keine Busse fahren, oder dass man da nicht hinkommt. Oder noch besser einen eigenen Reiseführer schreiben. Für Leute, die genauso gerne mit Gummistiefeln durch den Dschungel wandern wie ich und sich dann in den nächsten Fluss schmeißen. Und die parout ohne Taxi um den Cotopaxi kommen wollen. Insidertipps für Abenteuer_innen. Generell werde ich auf Reisen überhaupt niemandem mehr glauben, dass man da nicht hinkommt. Ja, die Distanzen sind andere, manchmal muss man ein gutes Stück gehen und manchmal einen halben Tag auf den Bus warten. Aber irgendwie gehts dann schon.

Die Mentalität auf der Reise war eine andere als normalerweise. Es gab kein “Die anderen werdens schon richten.” oder “Ach Felix hat eh ein Taschenmesser mit.” Aber genau deswegen bin ich mit dem Flow gegangen, mal Risiken eingegangen, hab auch mich selbst gehört, viel improvisiert und auch mal spontan (um)entschieden. Wies eben grad gepasst hat.

Was generell hilft im gut alleine durchzukommen? Gutes Spanisch mal vorneweg. Ich werde aufgrund meiner Hautfarbe oft in Schubladen gesteckt hier. Die kleine Gringa, die sich alles leisten kann. Das ist total nervig. Wenn ich dann in recht gutem Spanisch erkläre, dass ich schon seit 8 Monaten in Ecuador lebe und als Voluntärin arbeite, kann ich manchmal etwas aus der Schublade herausklettern. Bei den meisten – auch nicht allen – Leuten kommt mein Volo-Dasein ganz gut an. Dann ergeben sich oft sogar gute Konversationen über meine Arbeit in SALEM, Europa, Eurozentrismus und Sozialsystem in Ecuador. Oder auch einfach nur übers Wetter und übers Reisen. Aber ich kann mich verständigen. Und wenn das auch nicht hilft, dann hilft immer noch der Sturschädel, der sich etwas in den Kopf gesetzt hat und das durchziehen will. Und den hab ich schon mal wieder bewiesen.

Hoch hinaus

In Ecuador muss man beim Reisen immer ein bisschen die Höhenmeter mit einberechnen. Man reist ja sozusagen durch die Jahreszeiten und oft findet man sich dann an einem Ort wieder, an dem es viel wärmer oder kälter ist als gedacht. Weil man die Höhenmeter nicht nachgeschaut hat. Ist ja eh so nahe beieinander? Tja, können trotzdem schnell mal 1000 Höhenmeter Unterschied sein. Weils mich also interessiert hat und euch vielleicht auch interessiert, habe ich die Höhenmeter ein wenig mitgeschrieben. Man muss sagen, beim Busfahren fällt es mir fast gar nicht mehr auf, außer am Druck in den Ohren. Aber die sich verändernde vorbeiziehende Landschaft finde ich immer noch sehr imposant.

Tag 1: Mindo 1.250 m – Quito2.850 m- Papallacata3300 m – Baeza 769 m- Tena 598 m – Misahualli  517m

Tag 7: Tena 598 m – Baeza 769 m – Papallacata 3300 m – Quito2.850 m – Machachi2.886

Tag 8 &9 : Machachi2.886 – Cotopaxi wandern 5000m – Machachi 2.886m – Parque Nacional Cotopaxi 3500m – Machachi2.886

Tag 10&11. Machachi 2.886m – Latacunga 2.770m – Quilotoa 3.914m – Latacunga 2.770m – Quito2.850m – Mindo 1.250 m

Tag 15-18: Mindo 1.250 m – Santo Domingo 14 m- Canoa0m – Perdernales – Santo Domingo 14m – Mindo 1.250 m

Allein sein?

So richtig allein war ich nie. Ich hab viele Leute kennengelernt und per Handy kann man ja auch Kontakt halten. Nach Mindo und nach Österreich, welche in der Gedankenwelt auf einmal gleich weit weg erscheinen.

Manchmal gabs schon die Momente, die ich gern geteilt hätte. Als ich in Misahuallí die Lagerfeuerstelle entdeckt habe und mir vorgestellt hab, wie cool das wäre hier mit der ganzen Freundesgruppe aus Mindo zu sitzen. Als ich durch den Nationalpark galoppiert bin und gewusst hab, meine beste Freundin sitzt neidisch daheim. Ich hätte sie gerne da gehabt. Nach den verzweifelten 3h Reise(um)planung wäre wohl gut gewesen, irgendjemand hätte mir gesagt “Julia, es reicht jetzt, du machst einfach das.”

Natürlich habe ich mal auch Leute vermisst, gerade die Crew, mit der ich sonst viel unterwegs war. Beim Wellenspringen allein in Canoa fehlen mir schon Felix’ random Physikerklärungen (“Die Welle bricht genau dann wenn sie gleich hoch ist wie das Wasser tief”), Edwins verrückte Ideen was wir noch alles machen könnten und Majas Gekreische, wenn die Welle kommt.

Aber dann hats wieder die schönen Momente nur für mich gegeben, mitten in der Natur, mit Leuten, die ich spontan kennengelernt habe. die Zeremonie, die Affen am Strand, die vielen Wanderungen, weil irgendwo kein Bus mehr gefahren ist. Die spontan entdeckten schönen Plätze. Wenn man gemeinsam unterwegs ist, redet man meistens und nimmt die Umgebung nicht so wahr. Allein kann das anders sein. Wobei ich trotzdem aufpassen muss, dass ich nicht mit Gedanken im Kopf noch mehr Gespräche führe, als wenn jemand dabei wäre.

Meine eigene Erfahrung. Letztens beim Telefonat mit Vanessa bin ich grinsend draufgekommen, dass ich über diese Reise eigentlich erzählen kann, was ich will. Niemand kann verifizieren oder falsifizieren. Wobei mit einige dieser verrückten Dinge, die wirklich passiert sind, sowieso keiner glauben wird. Genauso kann ich aber auch mit niemandem Reiseerinnerungen austauschen, ergänzen. Deswegen protokolliere ich hier am Blog mit Zeitverzug mit, gehe meine Fotos durch, schicke ab und zu Vanessa lustige Sprachnachrichten. 

Es hat schon was, das allein reisen. Das für sich sein, seine eigenen Entscheidungen treffen können, sich mit dem Wind drehen, spontan umplanen, einfach machen. Niemand, der sagt “Julia, das ist eine dumme Idee”, wenn es eine dumme Idee ist. Außer die Stimme in meinem Kopf, aber die ist mittlerweile leiser geworden. Sie hat verstanden, dass ich manchmal auch ein bisschen dumm sein darf, verrückte Sachen machen, mich ausleben. Denn egal wie das Ganze ausgeht, das sind oft die Sachen, die ich unter Gelächter meinen Freund_innen daheim erzähle, und die gute Zeit später immer noch ein Lächeln auf meine Lippen zaubern. 

Was ich gelernt habe und anderen mitgeben kann: Es kann super schön sein, mit sich selbst allein zu sein. Ja, es kann auch Situationen geben, wo man gerne Unterstützung hätte. Aber wenn man die braucht, ist sie meistens da. In Form von Freunden, die zufällig grad am selben Ort gelandet sind wie ich. In Form von Fremden, die schnell mal weiterhelfen. Oder in Form von Fremden, die in kurzer Zeit zu Freund_innen geworden sind. Lösungen haben sich für alles gefunden. Manchmal passable, manchmal gute. Aber immer getreu dem Motto: Geht nicht gibts nicht.



Ein Kommentar

  1. Heya, die neidische beste Freundin hier um zu bestätigen, dass sie sehr sehr SEHR neidisch auf die Reittour war!!!! Ich wär auch gern dabei gewesen – aber ich gönn´s dir und bestaune einfach weiter die Fotos.
    Ah, und ein Kommentar zu der grinsenden Erkenntnis, dass du erzählen kannst was du magst: Das ist einerseits fies, dass du es hier so schreibst, aber andererseits auch einfach ehrlich. Es ist die Wahrheit: Wir haben die Wahl, wenn es keine Zeug*innen gibt. Das ist manchmal für uns selbst als auch für alle anderen wohl die beste Lösung. Und manche Dinge sind auch irgendwie zu schön, um sie zu teilen.
    Bis bald,
    Vanessa

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