Genau drei Wochen bin ich jetzt wieder in Österreich. Seitdem ist der Blog ein bisschen still gelegen und ich meistens auf der Couch. Es ist gar nicht so einfach, sich wieder einzufinden. Der Geschmack von Bananen und Avocados, alle Menschen wieder verstehen wollen, meine Wohnung wieder zum Daheim machen und ab und zu eine ultimative Katzenvermissung haben mich die letzten Wochen beschäftigt.

Niederösterreichliebe

Die erste Woche vergrabe ich mich im Haus meiner Eltern. Das ist groß genug um zwischen dem Bett und der Couch hin und her zu wechseln und mal ausgiebig nix zu tun. Und die doch irgendwie vertraute Umgebung gibt Zeit, über alle möglichen Dinge zu Sinnieren, die ich hier nicht mehr verstehe. Menschen im Generellen. Oder die nonverbale Kommunikation, die interkulturell anscheinend anders funktioniert. Der schmale Grad zwischen Du und Sie, der im Ecuadorianischen irgendwie anders verläuft. Der konstante Grant gefühlt aller Österreicher_innen. Die Banane schmeckt schlicht und einfach nicht nach Banane. Die Wäsche trocknet hier wenn man sie aufhängt. Warme Sommerabende sind wunderschön und beehren mich leider nicht mehr lange. Was mich schon beehrt ist eine nachbarliche Lärmbelästigungsbeschwerde, weil ich den Sommerabend zu lange lachend im Garten genossen habe. Tja. An den Kulturgutgrant muss ich mich erst wieder gewöhnen. Ebenso an die Tatsache, dass frau anscheinend dringend einen Freund braucht, um einen Akkuschrauber zu bedienen. Alleine kann ich das doch wohl nicht können? Als Frau? Das erklärt mir zumindest der niederösterreichische Busfahrer, der die ganze Fahrt über höchst verwirrt über die grüne Akkuschrauberkiste in meiner Hand ist, die ich mit nach Wien nehme. Naja. Hätten wir das mit Grant und Sexismus auch geklärt..

So gehört das nicht

Aus einer Laune heraus habe ich auf einmal auf alles Lust, was ich in Ecuador nie gemacht habe. Kurze Röcke und Blusen anziehen. Nägel lackieren. Und das so richtig geniessen. Was ist los mit mir? Ich weiß es nicht. Und der Anfall an Röckelust hat sich dann durch das kühle Wetter auch schnell wieder gebessert.

Im Supermarkt schaffe ich es inzwischen einzukaufen, ohne zu hyperventillieren. Aber ES IST ALLES SO TEUER: Die Höhe der Preise erschlägt mich immer noch, aber damit bin ich ja auch nicht alleine gerade. Stattdessen wird der Supermarktbesuch zur Studie. Nicht nur über erhöhte Preise, sondern über die Herkunft der Lebensmittel. Und da könnte ich in der Obst- Und Gemüseabteilung eine halbe Lateinamerikalandkarte zeichnen. Ecuador, Peru, Uruguay, Brasilien.. all diese Länder kann ich jetzt irgendwie lokalisieren und wundere mich umso mehr wie weit die Banane oder die Heidelbeeren oder der Granatapfel gereist sind. Abstrakt.

Avocados schmecken nicht wie Avocados. Zwei Wochen halte ich es aus, bis mir eine ins Einkaufssackerl hüpft. Ich weiß, dass sie nicht so sein wird wie in Ecuador. Aber dort habe ich die reinste Avocadosucht entwickelt. Spoiler: Die Avocado besteht den Geschmackstest nicht. Dass sich so etwas überhaut Avocado nennen darf. Mit ziemlich viel Verachtung löffle ich das importierte Stück Grün aus Peru und erkläre die Avocadosucht für erst einmal kuriert. Ich will wieder zu Luisa. Avocados schmecken in Peru anders als in Ecuador. Und dort an der Küste anders als in den Bergen. Aber das hier schmeckt einfach gar nicht. Lassen wir dann wohl wieder, eh besser für die Umwelt und das Geldbörsel.

Wo wir schon bei Essen sind erreicht mich aus Mindo die Nachricht, dass angeblich die Katze gegessen wurde. 3x schon. Meine Freunde haben interessante Ansätze davon, sich um mein Baby zu kümmern und schicken auch immer wieder sehr glaubwürdige Fotos davon. Ich hab sie ja lieb. Und die Katze auch. Manchmal schlägt dann schon die ultimative Katzen- und Mindovermissung zu. Das endet dann mit einer Webmingostunde bis halb 2 Uhr früh unserer Zeit, über Videotelefonie und 15 x “kannst du das nochmal sagen ich habs nicht verstanden” . Die Technik lieben wir ja alle noch aus Pandemiezeiten. Und irgendwas müssen wir uns auch noch gegen die Zeitverschiebung einfallen lassen. So funktioniert das nicht ganz.

Das Wetter vor dem Fenster spielt April mit Regen und gleichzeitigem Sonnenschein und ich will meine Gummistiefel wiederhaben. Vielleicht könnte man die in Österreich auch brauchen. Aber hier kommt ja anscheinend nach dem Sommer eh bald der Winter, in der Wohnung spürt mans schon.

Das alte neue Zuhause

Es ist alles alt und neu gleichzeitig. Meine Wohnung, meine Freund_innen, meine Familie. Das alles war vorher schon da und ich kenne es eigentlich gut. Trotzdem hat sich viel verändert und ich muss mich erst wieder einfinden in dieser alten neuen Welt. Bis jetzt sind Veränderungen immer nach vorne gegangen. Das Alte war weg und dafür hat sich etwas Neues entwickelt. Jetzt ist alles alt und neu gleichzeitig und das ist manchmal ziemlich verwirrend.

Meine deine unsere alte neue Wohnung. Ich bin wieder in meinem alten WG-Zimmer, nebenan ist meine beste Freundin eingezogen. Das ist ein schönes Gefühl, das ich noch nicht ganz fassen kann. Die ultimative Kombination aus neu und alt, gewohnt und ungewohnt trägt witzige Früchte. Jetzt gilt es, die neue alte Wohnung wieder zum Zuhause zu machen, was langsam form annimmt. Möbel umstellen soweit möglich, Sachen einräumen, die Hängematte irgendwo aufhängen. Es wird.

Das Fensterbrett meines Zimmers ist jetzt das neue Dach. Da kann man auch schön sitzen und Nachdenken, und die Füße einziehen, wenn es auf einmal zu regnen beginnt. Was fehlt ist der schöne Überblick über das halbe Dorf und ganz viel grün. Hier blicke ich auf viele Menschen am Gehsteig, die manchmal lieb heraufgrüßen, auf das gegenüberliegende Wohnhaus und die U-Bahn, welche über mir fährt. Hoch oben, das tut sie in Wien. Die Stadt löst schon ein Heimatgefühl aus in mir. Ich genieße warme Nachmittage auf der Donauinsel, wo wir sogar einen Baum fürs Tela gefunden haben. Außerdem gibts lange Spaziergänge am Donaukanal, nach denen ich Blasen habe, weil ich hier mehr auf die Schönheit als die Bequemheit von Schuhen achte.

Ich versuche zu verstehen, was im Leben aller anderen Menschen abgegangen ist, in diesem Jahr. Bei manchen war das gar nicht so wenig. Das habe ich verpasst, ebenso wie viele von ihnen mein Leben verpasst haben und nun sitzen wir hier und fragen uns, wie der_die jeweils andere an den Punkt gekommen ist, an dem er_sie heute steht. Ich denke, es wird wohl noch einiger gemütlicher Abende auf irgendeinem Sofa bedürfen, um das wieder aufzulösen. Aber das ist ja an sich nichts Schlimmes. Schlimmer ist das Gefühl, dass sich immer noch manchmal anschleicht, das des Alleinseins. Ist es überhaupt jemandem wichtig, dass ich wieder da bin? Wo finde ich Anschluss? Manchmal verzweifle ich schon ein bisschen und vermisse meine Mindo-Crew. Aber das gibt sich langsam. Und wird auch durch Abende am Sofa besser.

Generell gilt es gerade, wieder mehr Verantwortung zu übernehmen. In Mindo war für Wohnen und Essen immer gesorgt, was ich arbeite war auch klar. Hier muss ich mein Uni-Semester planen, Arbeit suchen und finden, bei Wien Energie anrufen und ein bisschen schimpfen, ebenso bei der Kirchensteuerstelle und der Versicherung. Mein Konto und meine Ausgaben gut überwachen. Jeden Tag überlegen was ich essen will und kochen. Wieder mehr selbst in die Hand nehmen. Das ist ungewohnt und manchmal überfordernd, aber irgendwie auch schön.

Ich lerne auch viele neue Leute kennen, neue Freund_innen von meinen Freund_innen. Ein Jahr ist doch eine lange Zeit. Soziale Strukturen haben sich verändert oder sind gerade dabei sich zu verändern. Aber wenn ich eines gut kenne aus Mindo, dann das.

Am Wochenende fahre ich raus aufs Land. Ich habe Lust auf so richtig stereotypes Österreich und das ist die Blasmusik. Ein Glück, dass mich mein Musikverein gleich wieder lieb aufgenommen hat. Und so ergibt sich ein netter Nachmittag mit Märschen, Polkas, Wein und Schnaps. Hier hat sich nicht viel verändert. Und es ist neben den vielen alten neuen Veränderungen auch sehr nett, manchmal wohin zurück kommen zu können, wo seit Jahren fast alles gleich ist. Tütelitü und prost.

Wieder in Wien liege ich auf der Couch und lese ein Feminismus-Buch, das ich von meiner besten Freundin geklaut habe. Das habe ich auch seit einem Jahr nicht mehr gemacht und genieße es richtig. Sowohl die Couch, als auch das Buch, als auch Feminismus. Nach vorne zurück, alte Welten neu entdecken, gewohntes wieder aufnehmen oder verwerfen, langsam wieder mehr verstehen. Eines ist sicher: Ich lerne weiterhin viel und es bleibt spannend.

Manches bleibt

Ich sitze am Lagerfeuer, genau wie in Mindo immer. Nur weit weg von dort, mit anderen Leuten. Spanische Schnulzenlieder schallen durch die Luft, weil sie erklären, was in Worten nicht erklärbar ist. Und Melancholie super auffangen. Ich denke an mein Zimmer, welches jetzt “eine schöne Mischung aus Mindo und Wien” ist, wie meine Mitbewohnerin letztens festgestellt hat. Die Ukulele, die da wie dort an der Wand hängt. Die Hängematte, die ich einfach mal provisorische zwischen die Pfeiler von meinem Hochbett gespannt habe. Die Pflanzen, die ich neu adoptiert habe und hoffentlich nicht umbringen werde. Die Couch, die ich mal von meinen Eltern bekommen habe. Der großte Schreibtisch mit dem Bildschirm, wo ich so viele Stunden pandemiebedingten Onlineunterricht verbracht habe. Und die Fotowand, die von Momenten zeugt, die bleiben werden. Viele davon sind in Ecuador passiert, manche davor, manche erst kürzlich. Und zusammen formen sie das, was mich prägt und was bleiben wird. Egal, wo ich hingehe.

3 Kommentare

  1. que chevere, me gusto mucho y no se lo digas a felix pero me gusto mas este blog que el suyo

  2. Ganz einfach. Auch wenn du Katzen, FreundInnen und Ecuador vermisst. Ich bin SEHR FROH, dass du gesund und munter wieder da bist.🥰 Und ich freue mich auch auf unsere gemeinsamen Chouch Abends mit einem Stamperl, einem guten Buch und einer Plauderei🤗👋

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